Glanzresultate bei den jüngsten Wahlen, tätig im Kader eines Schweizer Versicherungskonzerns, Mutter zweier kleiner Kinder: Die 39-jährige Küsnachterin Nina Fehr Düsel (SVP) verkörpert das, was man anerkennend eine Powerfrau nennt. Als Feministin würde sie sich nicht bezeichnen.

Nina Fehr Düsel, wo waren Sie am 14. Juni 2019?
So wie jeden Tag am Arbeiten und später stiess ich mit meiner Mutter auf ihren Geburtstag an. Den Frauenstreiktag verfolgte ich in den Medien und fand es gut, dass die Frauen auf die Strasse gingen und auf ihre Anliegen aufmerksam machten. Mein Ding ist es aber nicht zu demonstrieren, Parolen zu rufen und nur Forderungen zu stellen. Ich ziehe es vor, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und meine Werte vorzuleben.

Bezeichnen Sie sich als Feministin?
Nein, denn das Wort ist positiv und negativ behaftet. Gemeinhin gelten Feministinnen als links und meines Erachtens gehen ihre Forderungen manchmal zu weit. Aber ich finde es wichtig, dass Frauen für ihre Rechte kämpfen.

Das nationale Frauenstreikkomitee forderte in einem Manifest: Elternurlaub, Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, Lohngleichheit, Gratis-Verhütungsmittel, Sexualerziehung zu Diversität und vieles mehr. Mit welchen Forderungen können Sie sich solidarisieren?
Lohngleichheit bei gleicher Qualifizierung und gleicher Position sowie gleiche Bedingungen am Arbeitsplatz sind sehr wichtige Punkte. Viele Firmen haben diese auch umgesetzt. Wenn es Unterschiede gibt, sind diese meist durch längere Lücken im Lebenslauf begründet, beispielsweise wegen Mutterschaft. Deshalb ist Gleichberechtigung gerade zu Beginn der Elternschaft entscheidend. In der SVP haben wir das Thema sehr kontrovers diskutiert, ich selbst halte einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub für eine gute Idee. Aber nicht länger, denn schliesslich bezahlt das der Steuerzahler respektive geht wieder ein Teil vom Lohn weg.

«Natürlich gibt es die älteren Herren, die hin und wieder dumme Sprüche reissen.»

Für viele Feministinnen ist die SVP eine natürliche Feindin – und umgekehrt. Wo stehen Sie in diesem Gefüge?
In der Mitte. Grundsätzlich nehme ich es nicht so wahr, dass alle in der SVP total konservativ wären. Die Gleichstellung der Frau ist einfach nicht das Hauptthema der politischen Arbeit. Natürlich gibt es die älteren Herren, die noch nach dem klassischen Rollenmodell leben und hin und wieder dumme Sprüche reissen – vielleicht, weil sie verunsichert sind. Die junge Generation sieht die Gleichstellung differenzierter. Ich selbst lebe ja auch ein modernes Familienmodell und habe sehr gute Resultate bei den SVP-Wählern erzielt.

Und parteiintern? Wurden Sie als junge Frau gefördert?
Ich wurde weder gefördert noch benachteiligt. Bei den Nationalratswahlen landete ich vom 25. Listenplatz auf dem 14. – so viele Plätze machte kantonal kein anderer Politiker gut. Ich hoffe, dass ich bei den nächsten Wahlen entsprechend gut platziert werde. Ich glaube jedoch nicht, dass man mir Steine in den Weg legen wollte, weil ich eine Frau bin, denn in der Politik gilt es, immer auf vielerlei Konstellationen Rücksicht zu nehmen. So war ich vor vier Jahren in den Bezirk Meilen umgezogen und man hat eben die Alteingesessenen bevorzugt.

Sie sind als promovierte Juristin in einem Versicherungskonzern tätig. Gab es Situationen im Laufe Ihrer Karriere, in denen Sie als Frau benachteiligt waren?
Auch im Berufsleben wurde ich als Frau weder benachteiligt noch speziell gefördert. Gerade im Team des Rechtsdiensts ist das Verhältnis von Frauen und Männern sehr ausgewogen. Allerdings ist es als Frau Mitte Dreissig sicher kein Bonus, wenn man voraussichtlich noch Kinder haben wird respektive kleine Kinder hat. Denn der Arbeitgeber fürchtet einen grösseren Arbeitsausfall.

Wie stehen Sie zur Frauenquote in privaten Unternehmen oder in der Politik?
Ich bin eher dagegen, denn ich bin der Ansicht, wir Frauen müssen es ohne Quote schaffen. Ich selbst will nicht nur dank einer Quote an eine Position gelangen. Sondern ich versuche zu überzeugen mit Kompetenz und Leistung. Viel sinnvoller als eine Quote ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wie ist das bei Ihnen und Ihrem Mann, wie vereinbaren Sie Familie mit Beruf und politischer Karriere?
Ich arbeite 80 Prozent und bin davon einen Tag in der Woche im Kantonsrat, mein Mann arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und hat eine flexible Zeiteinteilung. Unsere Eltern unterstützen uns sehr bei der Betreuung unserer beiden Söhne. Jede Familie muss ihr eigenes Modell finden. Wir haben schon früh miteinander besprochen, dass wir beide arbeiten möchten, aber nicht zu hundert Prozent, und sich beide an der Hausarbeit und an der Kindererziehung beteiligen. Seit ich Kinder habe, hat sich meine Einstellung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geändert und ich sehe, dass die Schweiz Bedarf hat an ausserfamiliärer Betreuung, obwohl wir es innerhalb der Familie lösen konnten. Allerdings sehe ich heute auch Krippen und Ganztagesschulen etwas kritischer und für mich stimmen nicht alle Lösungen.

Was möchten Sie zu gegebener Zeit Ihren Söhnen mit auf den Weg geben?
Kinder lernen durch Nachahmung. Seit meine Söhne mich im Kantonsrat besucht haben, spielen sie «Politikerlis». Im Ernst, wir möchten unseren Kindern Vorbild sein, denn so wie wir unseren Alltag als Eltern vorleben, unser Zusammenleben gestalten, welche Werte wir leben, wie wir sprechen und mit Tieren, anderen oder mit uns selbst umgehen, all das werden unsere Kinder aufnehmen. Mir ist wichtig, dass sie an sich glauben.

«Es gibt viele starke Frauen, die mich inspirierten, von Emilie Lieberherr bis Elisabeth Kopp.»

Welche Frauenfigur hat Sie am meisten geprägt?
Es gibt viele starke Frauen, die mich inspirierten, von Emilie Lieberherr bis Elisabeth Kopp. Beide haben sehr viel für die Gleichberechtigung der Schweizer Frauen getan. Natürlich hat mich auch meine Mutter positiv geprägt.

Und eine letzte, persönliche Frage: Sie ermutigen in Workshops junge Frauen dazu, ihre eigenen Wege zu gehen. Haben Sie jemals aus Angst etwas nicht gemacht – und bereuen das heute?
Gute Frage. Eigentlich habe ich immer getan, was ich wollte, und ich erlebte mein Tun auch als wirkungsvoll. Aber ich habe sehr attraktive Job-Angebote, die mit viel reisen verbunden gewesen wären, abgelehnt, weil sich dies nicht mit einer Familie vereinbaren liesse. Es ist nicht so, dass ich das bereue, aber ich habe die Prioritäten gesetzt.