Neue Zürcher-Zeitung, 25. Februar 2021

Beim Zürcher Regierungsrat sind rund zwei Dutzend Rekurse eingegangen

Die Stimmen gegen die Maskentragpflicht für Primarschüler werden lauter. Bereits nachdem der Kanton Zürich die Massnahme Ende Januar eingeführt hatte, meldeten sich besorgte Eltern bei der Bildungsdirektion. Mehrere tausend Personen unterschrieben Petitionen dagegen – darunter auch prominente Namen, etwa die Kantonsrätin Nina Fehr Düsel (svp., Küsnacht) und die Zürcher FDP-Gemeinderätin Yasmine Bourgeois. Sie alle sprachen sich gegen die Maskentragpflicht für Kinder unter 12 Jahren aus .

Mit den angekündigten Lockerungen des Bundesrats erhält ihre Forderung weiteren Aufwind. Die Landesregierung öffnet Museen, Freizeitanlagen und Zoos. Private Treffen sind wieder in grösserem Ausmass erlaubt, und Jugendliche können den meisten Aktivitäten nachgehen. Damit wächst der Druck auf den Kanton Zürich, die Massnahme nicht zu verlängern. Ursprünglich war sie nur bis Ende Februar geplant.

Eltern haben Angst

Neben den Online-Petitionen regt sich unterdessen auch juristischer Widerstand. Beim Zürcher Regierungsrat sind seit Ende Januar zwei Dutzend Rekurse eingereicht worden. Das gibt Regierungssprecher Andreas Melchior auf Anfrage bekannt. Zu einzelnen Rekursschriften seien umfangreiche Unterlagen eingereicht worden. Alle Dokumente werden nun von der Staatskanzlei bearbeitet.

Die meisten Rekurrierenden sind Eltern von betroffenen Kindern. In Einzelfällen seien die Rekursschriften von mehreren Personen zusammen eingereicht worden. Weil es sich dabei um laufende Verfahren handelt, kann Regierungssprecher Melchior keine Angaben zu den Rekursgründen machen.

In einschlägigen Chats auf dem Messengerprogramm Telegram tauschten sich Maskengegner bereits im Januar über mögliche Schritte gegen die ihnen unliebsame Massnahme aus. Dort wurde auch die Forderung laut, die Maskenpflicht für Oberstufenschüler abzuschaffen.

Eine betroffene Mutter, welche eine der Rekursschriften mitunterschrieben hat, erklärt ihre Beweggründe gegenüber der NZZ: «Ich verstehe nicht, warum der Kanton Zürich weiter geht als der Bundesrat. Dieser hat etwa in seinen Erläuterungen vom 12. Februar geschrieben, dass Kinder bis zwölf Jahre von der Maskentragpflicht im öffentlichen Verkehr ausgenommen sind. Das Risiko, dass sie andere Personen anstecken, ist laut diesem Schreiben gering.» In Foren und sozialen Netzwerken äussern Eltern auch häufig Bedenken, dass die Masken ihren Kindern gesundheitliche Schäden zufügen könnten.

Ganz anders klingt es von offizieller Seite. Laut Pädiatrie Schweiz, der Organisation für alle Kinderärztinnen und Kinderärzte des Landes, ist das Tragen einer chirurgischen Maske oder einer Stoffmaske atemphysiologisch unbedenklich und ab dem Alter von zwei Jahren sicher.

Wegen der mutierten Virusvarianten, die eine höhere Übertragbarkeit aufweisen, passte Pädiatrie Schweiz Anfang Februar auch seine offizielle Empfehlung an. Neu empfahl sie Masken in Primarschulen von Kantonen, in denen die epidemiologische Lage dies erfordere. Die Massnahme könne auch auf die Unterstufe ausgedehnt werden. Als oberstes Ziel nennt Pädiatrie Schweiz die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts in der obligatorischen Schule bis zur 9. Klasse. Bis November unterstützte Pädiatrie Schweiz die Maskentragpflicht für unter 12-Jährige nicht, weil die Fallzahlen laut der Organisation in diesen Altersgruppen deutlich tiefer ist.

Auch der Kanton Zürich betont, dass die Masken keine gesundheitlichen Schäden hervorriefen. Auf einem Merkblatt zitiert die Bildungsdirektion Christoph Berger, den Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene des Kinderspitals Zürich. «Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes kann für Kinder oder Jugendliche unangenehm oder lästig sein, eine Gesundheitsgefährdung sehe ich allerdings nicht», heisst es darin.

Einige Eltern haben trotz allem schon die Reissleine gezogen. In mehreren Gemeinden meldeten sie ihre Kinder für einen einjährigen Privatunterricht an, weil diese sonst in den Schulen Masken tragen müssen.

Die Zahlen sind nach wie vor klein, aber sie steigen. Seit Beginn der Pandemie wuchs die Anzahl der Kinder im kurzfristigen Homeschooling von 100 auf 290. Allein im Februar wurden im Kanton Zürich 90 Kinder für den kurzfristigen Privatunterricht angemeldet.

Der Grund dafür ist nicht nur die Maskentragpflicht. Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder aus Angst vor dem Virus zu Hause unterrichten.

«Das kleinere Übel»

Christian Hugi, Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands (ZLV), stellt sich weiter hinter die kantonale Massnahme: «Die Maske bleibt das kleinere Übel. Es ist viel schlimmer, wenn Klassen in Quarantäne gesteckt oder ganze Schulen geschlossen werden müssen.» Auch er würde sich freuen, wenn keine Masken mehr nötig wären, sagt Hugi. Eine Aufhebung der Maskenpflicht müsse aber nachhaltig sein. «Ein Hin und Her würde nur zu mehr Ärger führen.»

Laut Hugi sehen das die meisten Eltern genauso. «Es gibt Widerstand, zum Teil auch lauten. Aber es sind wenige.» Für die meisten Schülerinnen und Schüler sei die Maske ohnehin kein Problem. Häufig empfänden sie es vielmehr so, dass sie damit ihren Teil zur Bekämpfung der Pandemie beitragen könnten.

Schwierig werde es erst, wenn die Kinder in einen Konflikt zwischen Schule und Eltern gerieten, sagt Hugi. «Die Sorgen kommen hauptsächlich von den Erwachsenen.» Wenn die Kinder zu Hause das Gegenteil von dem hören, was sie in der Schule hören, sei das für sie eine sehr schwierige Situation. In seiner Klasse sei das bisher aber zum Glück nicht vorgekommen.

Die Gegnerinnen und Gegner der Masken für Kinder wissen bald mehr: Laut Angaben der Bildungsdirektion werde am Donnerstag bekanntgegeben, wie es mit der Maskentragpflicht in der Primarschule weitergehen soll.