In Zürich gelten in der Pandemie nur noch die Regeln des Bundes, das hat der Regierungsrat beschlossen. Davon ausgenommen ist die Maskentragpflicht an den Volksschulen. Der Alleingang der Bildungsdirektion sorgt bei manchen für Verwirrung und Ärger.
Die Maskentragpflicht für Kinder ab der vierten Primarklasse erhitzt weiterhin die Gemüter. Vor elf Tagen kündigte die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner an einer Medienkonferenz an, dass diese Massnahme für Innenräume bis mindestens zu den Sommerferien verlängert werde. Die SVP kritisierte diesen Schritt umgehend als «Kinderquälerei».
Für weiteren Unmut sorgte in diesem Zusammenhang das Schreiben des Regierungsrats, das am 26. Mai folgte: Darin kommunizierte er, dass die kantonale Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie nicht verlängert werde. «Damit gelten im Kanton Zürich ab Juni ausschliesslich die Bundesregeln.» Die Maskentragpflicht ist eine Ausnahme, die aber nicht explizit erwähnt wurde.
Rund 30 Rekursschriften eingegangen
«Die Medienmitteilung war leider etwas missverständlich», erklärt Regierungssprecher Andreas Melchior. Das Wort «Bundesregeln» sei in diesem Zusammenhang nicht ganz korrekt gewesen, weil gerade im Schulbereich kantonal noch Massnahmen gelten würden. Man habe danach auch das «eine oder andere Telefonat» von Personen erhalten, die irritiert gewesen seien.
Einen Tag nach Veröffentlichung der Medienmitteilung forderte die SVP des Kantons Zürich, dass die Maskentragpflicht an den Schulen zurückgezogen und aufgehoben werde, wie es in den meisten Kantonen der Fall ist. Dies müsse «unverzüglich kommuniziert» werden. «Viele Eltern sind verunsichert, welche Regeln ab Juni an den Zürcher Schulen gelten», schrieb die SVP in einem Communiqué.
Beim Regierungsrat wurden seit Einführung der Massnahme rund 30 Rekursschriften gegen die Maskentragpflicht an Schulen eingereicht. Ein Drittel davon wurden laut Melchior «erledigt». «In diesem Zusammenhang abgewiesen wurden bisher die Gesuche um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Rekurse», schreibt Melchior.
Kantonsrätin Nina Fehr Düsel (svp., Küsnacht) kennt nach eigener Aussage mehrere Eltern, die solche Rekurse unterzeichnet haben und auf ihre Schriften keine zufriedenstellende Antwort erhalten hätten. «Man hat das Gefühl, das Anliegen wird auf die lange Bank geschoben, damit die Massnahme einfach immer wieder verlängert werden kann», sagt Fehr Düsel.
Sie hatte Anfang Februar unter anderem mit anderen Politikerinnen eine Petition zum selben Thema aufgesetzt. Diese wurde laut Fehr Düsel innert neun Tagen von 6000 Personen unterschrieben. Danach habe man die Petition bei der Bildungsdirektion eingereicht und ein Schreiben an die Regierung aufgesetzt, als Antwort habe man nur eine Eingangsbestätigung erhalten. Fehr Düsel bekomme zudem viele Zuschriften von Eltern, die angeben, ihre Kinder hätten Mühe mit der Maske, sie beschrieben etwa Kopfschmerzen.
Laut der Bildungsdirektion ist die Verlängerung der Maskentragpflicht in den Innenräumen bis zum Beginn der Sommerferien notwendig und erforderlich, «um weiterhin einen möglichst uneingeschränkten Schulbetrieb zu ermöglichen». Das oberste Ziel sei, einen möglichst regulären Unterricht zu gewährleisten, dafür müsse die Anzahl Quarantäneverordnungen an den Schulen auf tiefem Niveau gehalten werden.
Die Bildungsdirektion bezieht sich in ihrer Argumentation auf Einschätzungen der Professorin Susi Kriemler vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich. Sie hat die Daten der Bildungsdirektion zu Klassenquarantänen ausgewertet und kommt zum Schluss, dass auf der Kindergarten- und Unterstufe mehr Klassen in Quarantäne geschickt wurden als auf der Mittel- und Oberstufe. Somit, schreibt die Bildungsdirektion, könne davon ausgegangen werden, dass Masken auf der Mittelstufe und oberen Schulstufen ein effektives Mittel gegen Infektionen seien. «Sie bieten sowohl für Lehrpersonen wie für Schüler und Schülerinnen einen guten Schutz.»
Als Begründung für die neuerliche Verlängerung der Massnahme gab Regierungsrätin Silvia Steiner an der Medienkonferenz im Mai mitunter an, dass noch nicht alle Lehrpersonen gegen Sars-CoV-2 geimpft und damit geschützt sind. Die Bildungsdirektion will bis zu den Sommerferien alle Lehrpersonen impfen lassen. Bis 26. Mai konnten sich impfwillige Lehrerinnen und Lehrer beim Volksschulamt melden. Haben Impfzentren überzählige Impfdosen, suchen sie Lehrpersonen nach Wohnort aus und bieten ihnen einen Termin an.
Impfquote als Argument für Gegner und Befürworter
Fehr Düsel sagt dazu, dass mittlerweile alle die Möglichkeit hätten, sich registrieren und impfen zu lassen, und dass Lehrer, welche zu den Risikogruppen gehören, ohnehin bereits geimpft seien. Zudem würden Lehrer weiterhin eine Maske tragen und Kinder zum Glück ohnehin meistens kaum Symptome zeigen. «Gerade jetzt, wo in allen Bereichen gelockert wird und die Fallzahlen sinken, wäre der Zeitpunkt gewesen, diese Massnahme abzuschaffen», sagt Fehr Düsel. Die Kinder hätten bereits stark gelitten, man müsse nicht alles auf ihre Rücken abwälzen.
Andreas Daurù (sp., Winterthur) hält den Entscheid der Bildungsdirektion für vertretbar und sinnvoll. «Man weiss bis jetzt immer noch nicht genau, inwiefern Kinder das Virus übertragen, zudem können sie auch selber erkranken», sagt Daurù. Besonders weil die Lehrerschaft nicht priorisiert geimpft worden sei, halte er die Verlängerung der Maskentragpflicht für keine schlechte Lösung. Bis zu den Sommerferien seien es ja nur noch eineinhalb Monate. Zudem gebe es nach wie vor Personen, die noch nicht geimpft worden seien. Er gibt zu bedenken, dass man sich im Klassenzimmer auf kleinem Raum befinde. «Ich denke, es braucht einfach Momente, an denen die Kinder die Maske abziehen und draussen durchatmen können.»