Auf beiden Seiten des Zürichsees wehren sich Eltern gegen die Maskenpflicht ab der ersten Klasse. Viele wollen ihre Kinder zu Hause unterrichten oder beginnen sich anderweitig zu organisieren.
Maskenpflicht im Unterricht ab der ersten Klasse bis zum 24. Januar, damit sind nicht alle Eltern einverstanden. Sie gehen so weit, dass sie ihre Kinder aus der Schule nehmen wollen, damit diese die Maske nicht tragen müssen.
Schulpräsident Markus Bürgi (FDP) weiss von etlichen Anfragen in den Adliswiler Schulen: Eltern fragen nach Möglichkeiten, um den Kindern die Maske zu ersparen. Man könne ein valides ärztliches Attest bringen oder die Kinder privat unterrichten, sagt er. Beide Wege sind nicht einfach zu gehen. Unterstützung bekommen Eltern, welche die Massnahmen kritisch sehen, von Nina Fehr Düsel. Die SVP-Kantonsrätin aus Küsnacht hält die Maskenpflicht ab der ersten Klasse für nicht sinnvoll und setzt sich deshalb auf politischer Ebene dagegen ein.
Darüberhinaus organisieren sich Lehrkräfte und massnahmenkritische Eltern in Internetforen, um Kinder, die aus der Schule genommen wurden, in einem anderen Umfeld trotzdem weiter zu unterrichten.
Die Maskenpflicht ab der ersten Klasse mobilisiert viele Eltern. Diese Zeitung hat mit Müttern und Vätern aus der Zürichseeregion gesprochen, denen die Maskenpflicht zu weit geht. Sie fühlen sich wegen ihrer Meinung abgestempelt und in die Ecke gedrängt. Sie haben Angst, von der Öffentlichkeit für ihre Haltung verurteilt zu werden. Deshalb wollen sie erst nicht mit Namen im Artikel genannt werden und ziehen ihre Zitate schliesslich ganz zurück.
Gemein ist ihnen, dass sie ihren Kindern das Tragen der Maske ersparen wollen. Sie versuchten es mit ärztlichen Attesten, doch die Kriterien dafür sind streng und die Erfolgsaussichten gering. So ist von den Vätern und Müttern zu hören, ihre Kinder bekämen Kopfschmerzen wegen der Masken. Ausserdem würden Kinder, welche die Masken nicht korrekt trügen, von den Klassenkameraden gemassregelt und ausgegrenzt.
Arztzeugnis oder Privatunterricht
Durch ihre kritische Haltung ecken diese Eltern an. Doch sie sind davon überzeugt, dass es neben der Maskenpflicht ab der Unterstufe noch andere Wege geben müsse, wie man dem Coronavirus in den Schulen begegnen könnte.
Mit Eltern, die andere Wege zu gehen versuchen, hat auch Adliswils Schulpräsident Markus Bürgi (FDP) zu tun. In Adliswil bekommen die Schulen vermehrt Anfragen von Eltern, die wissen wollen, was man dagegen tun könne, dass ihre Kinder in der Schule Masken tragen müssten. Die Antwort lautet jeweils: Entweder ein valides Arztzeugnis oder Privatunterricht. «Wir machen sie jeweils darauf aufmerksam, dass der Privatunterricht eine grosse Beanspruchung für die Eltern ist», sagt er.
Anders als beim Homeschooling während des Lockdown sind die Eltern nämlich selbst verantwortlich für Lehrplan, Unterricht und Lernkontrollen, sobald sie ihre Kinder aus der Schule genommen haben. Das Einzige, was sie bekommen, sind die Lehrmittel. «Die Eltern sind dann grundsätzlich auf sich allein gestellt», sagt Bürgi.
Unterstützung vom «Lehrernetzwerk»
Wer sich dafür entscheidet, muss ein Formular des Volksschulamts ausfüllen und unter anderem angeben, wie man die Kinder unterrichten will. Der Kanton entscheidet dann über das Gesuch. «Ein Kind, das von der Schule abgemeldet ist, kann jederzeit zurückkommen», sagt Bürgi. Aber die Eltern sollten sich keine falschen Vorstellungen machen: «Wegen des anhaltenden Wachstums der Stadt können wir nicht garantieren, dass es die gleiche Klasse oder dasselbe Schulhaus besuchen kann wie zuvor.»
Laut Bürgi wenden sich viele der unzufriedenen Eltern mit Briefen an seine Behörde, deren Vorlage vom Verein Lehrernetzwerk Schweiz stammt. Vereinspräsident und Mitinitiator ist Jérôme Schwyzer, ein Aargauer Oberstufenlehrer mit SVP-Parteibuch. Auf schriftliche Fragen dieser Zeitung zu seinem Verein hat er auch nach mehreren Tagen keine Stellung genommen. Das Lehrernetzwerk ist Anlaufstelle für massnahmenkritische Eltern. Neben Lehrkräften sind ihm Anwälte und Ärzte angeschlossen. Der Verein selbst beziffert seine Mitgliederstärke auf rund 4400 Personen.
Organisiertes Homeschooling
Das Lehrernetzwerk stellt sich gegen «Massnahmen, bei welchen wir der Ansicht sind, dass sie die Grundrechte oder die Unterrichtsqualität und das Wohl der Kinder einschränken», wie es auf der Website heisst. Lehrkräfte und Eltern will der Verein unterstützen.
Dass Massnahmengegner Bedarf daran haben, zeigt sich in verschiedenen Internetforen. Exemplarisch dafür der Fall einer Lehrerin, die in Uetikon wohnt und Mitte Dezember 2021 mit folgenden Worten eine Diskussion startete: «Hallo an alle Eltern und Kinder. Seid ihr interessiert an Homeschooling-Gruppen am rechten Zürisee? Ich versuche zurzeit hier mal alle Anfragen von besorgten Eltern zu sammeln.»
Sie arbeite hauptberuflich «immer noch» an einer Volksschule, aber für sie stehe fest: «Ich werde mich für unsere Kinder und Jugendlichen einsetzen, für ihre Freiheit und ihre Bildung, so lebensnah wie möglich.» Diese Zeitung hat die Lehrerin kontaktiert. Sie hat zu den Fragen bislang keine Stellung genommen.
Im Forum ist sie aktiver. Noch im Dezember meldet sie: «Wir sind bereits mehrere Lehrerinnen und Betreuerinnen, die sich gefunden haben und vorerst bereit sind, euch zu beraten und zu vernetzen in der Region rechter Zürisee.» Ausserdem habe sie bereits eine Liegenschaft gefunden, um darin zu unterrichten. Ein erster Infoabend ist geplant.
«Maskenpflicht geht zu weit»
Die Küsnachter SVP-Kantonsrätin Nina Fehr Düsel kämpft auf politischer Ebene gegen die Maskenpflicht in der Schule. Sie erklärt: «Ich sehe die Sinnmässigkeit nicht, eine Maskenpflicht bei den Erstklässlern geht zu weit.» Für manche Eltern sei nun eine rote Linie überschritten.
Ob man seine Kinder aus der Schule nehmen möchte, sei jedem selbst überlassen. «Wir machen es nicht», sagt die Mutter von zwei Kindern im Kindergarten und der ersten Klasse, «weil die Kinder an ihrem Umfeld und den Gspäändli hängen.» Aber sie könne die Eltern verstehen, die mit einem ärztlichen Zeugnis einen Maskendispens erreichen wollten.
Jeden Tag erhalte die Kantonsrätin viele Mails von besorgten Eltern, doch mit zusätzlichen politischen Mitteln wird sie sich in nächster Zeit nicht für deren Interessen einsetzen. «Wir dachten zwar lange über eine Petition nach, aber damit würden wir hinter den Entwicklungen herhinken», sagt Fehr Düsel. Die Juristin hilft deshalb beratend mit bei Rekursen und Beschwerden gegen die Maskenpflicht. Wichtig ist ihr, dass die Maskenpflicht nicht über den 24. Januar hinaus verlängert wird.