20 Minuten, 22.11.2022

In Balenciagas neuster Kampagne halten Kinder Teddybären im BDSM-Look in den Händen. Die Internet-Community ist schockiert und kritisiert das Luxuslabel scharf.  Auch der Schweizer Kinderschutz verurteilt die Kampagne.

Eigentlich will Balenciaga in seiner neuen Gift-Shop-Kampagne Haushaltswaren, Haustierbekleidung, Düfte und Alltagsgegenstände vorstellen. Doch die Art und Weise, wie das spanische Modehaus diese Gegenstände bewirbt, sorgt in der Modewelt für Empörung. Die Bilder zeigen verschiedene Kleinkinder, die in Balenciagas Kinderlinie eingekleidet sind, vor ihnen liegen Dutzende Gegenstände aus der Objects-Linie. Einige der Kinder halten Teddys, die in BDSM-Accessoires eingekleidet sind. Auf anderen Sujets sind die BDSM-Teddys eher am Rande sichtbar, etwa als eines von vielen Objekten, die vor den Kindern ausgebreitet sind.

«Machen wir jetzt Pädophile zu unseren Kunden?»
Die Bilder sorgen auf Social Media für eine Kontroverse. «Das ist verstörend», findet ein User. «Wieso hält ein Kind einen Teddybären mit Bondage-Ausrüstung? Völlig unangebracht», so ein anderer User. «Machen wir jetzt Pädophile zu unseren Kunden?», fragt sich eine Nutzerin. Auch die Frage, wieso Balenciaga für eine Kampagne, deren Produkte sich an Erwachsene richten, kleine Kinder zeigt, steht im Raum. Trotz der Kritik finden sich unter den Posts auch einige wenige Herzen und lobende Worte wie: «Süss!» Die Fotos wurden vom italienischen Fotografen Gabriele Galimberti geschossen und sind an dessen Toy-Stories-Projekt angelehnt, das Kinder mit ihren liebsten Spielzeugen zeigt. Balenciaga zeigte die Bondage-Teddybären bereits in ihrer Show für Frühling und Sommer 2023 an der Paris Fashion Week. Die Bären gibt es offiziell noch nicht zu kaufen.

«Durch solche Bilder wird die Grenzüberschreitung normalisiert »
«Wie das Kind da steht und den Teddybären hält – hier stimmt einfach gar nichts», sagt Regula Bernhard-Hug von der Stiftung Kinderschutz Schweiz zu 20 Minuten Lifestyle. «Wir bekommen oft Anfragen, ob gewisse Bilder in Ordnung sind, doch so etwas Krasses haben wir noch nie gesehen», so die Expertin. Die Kampagne stelle das Kind durch den Bären mit BDSM-Kleidung und durch die Positionierung in einen sexuellen Kontext. «Das ist verwerflich», ordnet die Expertin die Kampagne ein. «Menschen, die ihre sexuellen Bedürfnisse an Kindern befriedigen, legen sich eine Strategie zurecht, wieso das, was sie tun, in Ordnung ist.» Durch solche Bilder werden Grenzüberschreitungen normalisiert. «Denn es ist ja ‹nur Werbung›», so Bernhard-Hug.

Laut Expertin gehen die Bilder in Richtung Posing. Posing ist, wenn Kinder sexualbezogen und sozial inadequat dargestellt werden. «Das benutzen Täter zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse.» Dass das Kind so klar erkenntlich dazu genutzt werde, Produkte für Erwachsene zu bewerben und Geld zu machen, sei eine klare Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kindes. «Die Kinder, die für diese Werbung instrumentalisiert wurden, tragen den Stempel ein Leben lang.»

Gerichtsdokument über Kinderpornografie
Nebst den kontroversen Kampagnenbildern wird Balenciaga wegen eines weiteren Bildes scharf kritisiert. Für die Werbung von Balenciagas Hourglass Bag zeigt das spanische Modehaus ein chaotisches Pult, darauf liegt die Luxustasche. Unter der Tasche befinden sich verschiedenste Dokumente. Eines davon sticht der Internet-Community ins Auge. «Balenciaga hat gerade einen … interessanten … Photoshoot veröffentlicht, in dem Gerichtsdokumente über virtuelle Kinderpornografie vorkommen», schreibt Twitter-User shoe.

Wie findige Internetnutzende entdeckt haben, soll es sich bei einem dieser Dokumente um den Gerichtsfall Ashcroft v. Free Speech Coalition aus den frühen 2000ern handeln. Im Fall wurde entschieden, dass virtuelle Kinderpornografie als freie Meinungsäusserung gilt. Dazu zählt etwa computergenerierte Kinderpornografie oder Pornografie, bei der die Darstellenden für minderjährig gehalten werden können.

Doch wie das Onlinemagazin «Highsnobiety» schreibt, handle es sich bei dem Dokument nicht um den Ashcroft vs. Free Speech Coalition-Fall, sondern um eine Kopie des Urteils des Obersten Gerichtshofs im Fall Vereinigte Staaten gegen Williams, das den PROTECT Act bestätigt. Das ist ein Bundesgesetz, das Werbung, Förderung, Präsentation oder Verbreitung von Kinderpornografie unter Strafe stellt.

Fast zeitgleich zur Veröffentlichung der bisher kontroversesten Balenciaga-Kampagne hat das spanische Modehaus auch den Nachrichtendienst Twitter verlassen. Wie vielen Usern auffällt, hat Balenciaga die Beiträge zur Kampagne auch auf Instagram gelöscht. Dass die Luxusmarke ihre Kampagnen nach kurzer Zeit von ihren Social-Media-Kanälen verschwinden lässt, ist für Balenciaga aber gang und gäbe und gehört zu ihrer Social-Media-Strategie.

Balenciaga entschuldigt sich
Am Dienstagabend lässt Balenciaga plötzlich alle noch auffindbaren Bilder der Kampagne löschen, auch auf der Seite des Fotografen sind die Kampagnenbilder nicht mehr zu finden. «Wir entschuldigen uns aufrichtig für jede Verletzung, die unsere Weihnachtskampagne verursacht haben könnte. Unsere Plüschbärentaschen hätten in dieser Kampagne nicht mit Kindern gezeigt werden dürfen. Wir haben die Kampagne sofort von allen Plattformen entfernt», entschuldigt sich das Luxuslabel in seiner Instagram-Story.

Auch für die Dokumente, die das spanische Label in der Kampagne gezeigt hat, entschuldigt sich Balenciaga: «Wir entschuldigen uns dafür, dass wir beunruhigende Dokumente in unserer Kampagne gezeigt haben. Wir nehmen diese Angelegenheit sehr ernst.» Gegen die Verantwortlichen für das Set, die «nicht genehmigte Artikel» im Fotoshooting gezeigt hätten, will Balenciaga nun rechtlich vorgehen. «Wir verurteilen den Missbrauch von Kindern in jeglicher Form aufs Schärfste. Wir setzen uns für die Sicherheit und das Wohlergehen von Kindern ein», schliessen sie ihre Entschuldigung auf Instagram ab.