Für das Polizei- und Justizzentrum braucht es fast doppelt so viel Personal wie erwartet. Nun will die Politik Antworten.
Kurz vor den Feiertagen, das halbe Land ist bereits auf dem Weg in den Süden, kommt aus der Zürcher Justizdirektion eine ordentliche Osterüberraschung. Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) muss ausserplanmässig zusätzliche Stellen für das Gefängnis Zürich-West beantragen, wie der Regierungsrat am Donnerstag mitteilt. Es sind sehr viele Stellen.
Nach nur einem Jahr Betrieb hat sich herausgestellt, dass es im neuen Gefängnis Zürich-West, das in das Polizei- und Justizzentrum (PJZ) integriert ist, fast doppelt so viel Personal braucht wie ursprünglich gedacht.
Der Regierungsrat hat 82 neue feste sowie 23 befristete Stellen gesprochen. Die Regierung rechnet mit Mehrkosten von 9,5 Millionen Franken im Jahr 2024 und mit 10,8 Millionen im Jahr 2025.
Wie konnten die Verantwortlichen derart falsch liegen?
Der Stellenplan habe auf dem ursprünglichen Betriebskonzept von 2003 beruht, welches damals für das Gesetz für ein Polizei- und Justizzentrum erstellt worden war, lautet die Erklärung der Regierung.
Auf die Nachfrage der NZZ, warum man es in über 20 Jahren nicht habe kommen sehen, dass man am Ende fast doppelt so viel Gefängnispersonal brauchen werde wie ursprünglich vorgesehen, will Jacqueline Fehr nicht persönlich Stellung nehmen. Ihre Direktion verweist auf den aktuellsten Beschluss der Regierung.
In diesem steht, im Jahr 2015 sei festgelegt worden, dass die Planungsgrundlagen bis zur Eröffnung nicht mehr verändert werden sollen: «Auf eine Aktualisierung des Stellenplans wurde deshalb verzichtet.» Nach der Eröffnung des Gefängnisses sei dann rasch klar geworden, «dass die Stellen deutlich zu knapp berechnet waren».
Das ist insofern überraschend, als der Regierungsrat noch im Jahr 2019 den Personalbedarf erneut überprüft hat. Dafür hat er sogar eine externe Firma beauftragt.
Derzeit läuft im Gefängnis Zürich-West erst die vorläufige Festnahme. In der zweiten Jahreshälfte soll die Abteilung Untersuchungshaft in Betrieb gehen.
SP will das Gespräch mit Jacqueline Fehr suchen
In der Politik ist die Empörung über die Fehlplanung von links bis rechts gross.
Die FDP-Kantonsrätin Angie Romero kritisiert, dass Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) nicht persönlich Stellung nimmt zum Planungsdebakel, sondern für ein Interview mit der NZZ den Direktor der Untersuchungsgefängnisse Zürich vorschickt. «Als Hauptverantwortliche muss sie jetzt hinstehen.»
Bereits im Jahr 2019 sei im Rahmen einer Evaluation festgestellt worden, dass es für den Betrieb des PJZ mehr Stellen brauche. Die Direktion der Justiz und des Innern habe einen Bedarf von zusätzlich 126 Stellen für den Betrieb des neuen Gefängnisses im PJZ geortet. «Hätte die Direktion sorgfältig gearbeitet, hätte sie da schon merken müssen, dass es nicht reichen wird.»
Kein Verständnis hat sie dafür, dass die zusätzlichen Stellen erst ein Jahr nach der Eröffnung des PJZ bewilligt wurden. «Der Gefängnisdirektor hat ja nach eigenen Angaben schon am dritten Tag gemerkt, dass es nicht genügend Mitarbeitende gibt. Wieso wurde noch ein Jahr zugewartet?»
Romero will nun wissen, weshalb überhaupt fast doppelt so viel Personal nötig ist als geplant. Schliesslich sei das frühere Untersuchungsgefängnis mit weniger Mitarbeitenden ausgekommen, habe aber die gleiche Aufgabe gehabt. «Frau Fehr hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Haftbedingungen in den Untersuchungsgefängnissen zu verbessern. Das ist zwar, bedenkt man die früheren Haftbedingungen, richtig – aber man muss sich fragen, ob sie übers Ziel hinausgeschossen ist.»
Die Alternative Liste stand dem PJZ von Anfang an kritisch gegenüber. Nun sagt Kantonsrätin Anne-Claude Hensch: «Man muss sich grundsätzlich fragen, wie sinnvoll solche Riesenprojekte sind.» Wenn sich die Planung über mehrere Legislaturen erstrecke, sei es in der Politik schwierig, die Übersicht zu behalten, weil sich die Zusammensetzung der zuständigen Kommission immer wieder ändere.
Hensch plädiert deshalb für dezentrale Lösungen. Je grösser ein Betrieb sei, desto komplexer gestalte sich seine Führung. Das zeige sich nun auch beim Gefängnis Zürich-West. Über die Fehlplanung beim Personal ist Hensch «entsetzt»: «Gerade bei einem 24-Stunden-Betrieb muss man doch berücksichtigen, dass ständig Mitarbeitende in den Ferien, in einer Weiterbildung oder krank sind.»
Sie wundert sich ausserdem darüber, dass die Auswirkungen der gestiegenen Sicherheitsansprüche an das PJZ bei der Betriebs- und Personalplanung viel zu wenig berücksichtigt worden seien. Schuldige zu suchen, ist aus ihrer Sicht aber nicht sinnvoll. «Besser ist es, aus den Fehlern zu lernen.» Für Hensch bedeutet das: nicht noch einmal so ein grosses Gebäude bauen.
Auch aus Jacqueline Fehrs Partei, der SP, kommen klare Worte. «Das ist ein Planungsdebakel, da lässt sich nichts schönreden», sagt Kantonsrätin Beatrix Stüssi. «Man muss genau hinschauen, wo Fehler passiert sind.» Offenbar sei die Regierung davon ausgegangen, dass es günstiger werde, wenn man verschiedene Funktionen an einem Ort zusammenlege. «Aber es gibt genügend Beispiele aus der Vergangenheit, die zeigen, dass es eben nicht billiger wird, sondern eher teurer», sagt Stüssi. Kommission und Fraktion würden nun das Gespräch mit Jacqueline Fehr suchen.
Die SVP-Kantonsrätin und Juristin Nina Fehr Düsel sagt: «Moderne 24-Stunden-Gefängnisse sind ein grosser Kostenfaktor. Am Ende muss die Bevölkerung dafür zahlen.» Sie weist darauf hin, dass bei der Planung des PJZ schon einiges schiefgelaufen sei: Die Baukosten waren höher als angenommen, das Untersuchungsgefängnis ist immer noch nicht in Betrieb – und nun noch die verfehlte Personalplanung.
Fehr Düsel erzählt von einem Rundgang im Gebäude, welcher der zuständigen Kommission gewährt wurde. «Die Wege sind wirklich sehr lang», sagt sie. «Man erhoffte sich mehr Effizienz, wenn alles an einem Ort ist. Aber das ist leider nicht der Fall.» Man müsse den Betrieb nun genau beobachten, sagt Fehr Düsel. Für sie ist klar: «Es dürfen nicht noch mehr Stellen geschaffen werden.»
Dass es mit den neuen Stellen schnell vorwärtsgehen muss, hat auch der Regierungsrat erkannt. Ohne Anpassungen sei die Sicherheit des Betriebs und damit der «zentralen Drehscheibe des Zürcher Sicherheitssystems» gefährdet.