tagesanzeiger, 07.06.2024

Radio Lora sendet aus einem Innenhof im Zürcher Langstrassenquartier.
Radio Lora sendet aus einem Innenhof im Zürcher Langstrassenquartier.

 

Im Januar gab es gute Nachrichten für das Zürcher Radio Lora: Der Bund erteilte dem Alternativradio eine neue Sendekonzession bis 2034. So lange wird Lora jedes Jahr bis zu 738’000 Franken aus den Radio- und Fernsehgebühren erhalten.

Ein paar Monate später folgt der Rückschlag. Nun fordern bürgerliche Politikerinnen, Radio Lora die Konzession und das Geld eventuell wieder zu entziehen. Grund sind Vorwürfe, welche die NZZ aufgebracht hat.

Im Nationalrat haben die Zürcher SVP-Vertreter Nina Fehr Düsel und Mauro Tuena je eine Frage zum Thema eingereicht. Warum, wollen sie wissen, unterstütze der Bund einen Radiosender, der gewaltverherrlichende Musik spiele und «linksextremistisches, antisemitisches Gedankengut verbreitet»?

«Mich befremden gewisse Beiträge auf Radio Lora», sagt Nina Fehr Düsel. Gemäss ihren Beobachtungen werden diese immer extremer. Das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) müsse nun überprüfen, welche Konzessionsverletzungen vorgekommen seien. Danach müsse es klare Bedingungen setzen. «Wenn Radio Lora diese nicht einhält, sollte der Bund seine Zahlungen einstellen», sagt Fehr Düsel.

Die kleine Radiostation aus dem Kreis 4 beschäftigt sogar den Bundesrat.

 

Auch im Zürcher Kantonsrat gerät die alternative Radiostation unter Druck. Dort haben Mitglieder von GLP, EVP, Mitte, FDP und SVP gemeinsam eine Anfrage eingereicht. Sie wollen wissen, warum Radio Lora letztes Jahr mit dem kantonalen Anerkennungspreis von 10’000 Franken ausgezeichnet wurde. Gefragt wird auch nach weiteren Zahlungen.

Die politische Stimmungslage werde immer aggressiver, sagt Mitverfasserin Sonja Rueff-Frenkel (FDP). Dagegen müsse man vorgehen. Es dürfe nicht sein, dass der Staat die Verbreitung von extremistischem Gedankengut finanziere. «Wir alle müssen genauer hinschauen, bei Lora und anderswo.»

Lora sieht sich als Opfer einer Kampagne

Die parlamentarischen Anfragen beziehen sich auf einen NZZ-Artikel von letzter Woche. Die Zeitung wirft dem nicht kommerziellen Radio vor, sowohl die eigenen Regeln zu verletzen wie auch die Konzessionsvorgaben. Lora spiele gewaltverherrlichende oder antisemitische Lieder, etwa «Revolution» der deutschen Band K.I.Z. oder «Intifada» der spanischen Band Ska-P. In Sendungen werde zu unbewilligten Kundgebungen aufgerufen. Dem linksextremen Revolutionären Aufbau biete das Radio regelmässig eine Plattform, es verkläre Gewalt gegen Polizisten und verbreitete antisemitische Propaganda.

Radio Lora reagierte letzte Woche mit einer allgemeinen Entgegnung: Die NZZ habe aus einem «vielfältigen 24-Stunden-Programm einzelne Minuten herausgepickt» und als objektive Tatsache dargestellt, hiess es darin.

Auf Anfrage dieser Redaktion äussert sich die Betriebsgruppe von Radio Lora ausführlicher. Die jüngste Kritik bewertet das anonyme Kollektiv als «politisch motivierte Stimmungsmache», die gegen öffentlich unterstützte Institutionen wie die Zentralwäscherei, das Zentrum Karl der Grosse oder Radio Lora ziele. Dabei werde Antisemitismus missbraucht, um antimuslimische Positionen zu rechtfertigen. «Wer Äusserungen gegen den Genozid in Gaza nicht unterdrückt, gerät sofort in den Fokus verschiedener Medien», sagt die Betriebsgruppe. Einen Angriff dieser Grössenordnung habe Radio Lora noch nie erlebt. Man sorge sich um die Vielfalt der Schweizer Medienlandschaft.

Auch der Versuch, Lieder mit geschmacklosen Texten zu verbieten, sei problematisch. «Dann könnten Radios sehr viele Songs nicht mehr spielen», sagt Moritz Bögli. Die Kunstfreiheit sei grundrechtlich geschützt. Einen Aufruf zu einer nicht bewilligten Demonstration lasse sich zudem nicht mit einem Gewaltaufruf gleichsetzen. «Viele unbewilligte Demonstrationen verlaufen absolut friedlich.»

Vertreter rechter Parteien würden immer wieder fremdenfeindliche oder andere diskriminierende Aussagen machen, sagt Moritz Bögli. «Im Vergleich dazu ist das Programm von Radio Lora geradezu zurückhaltend.»

Radio mahnt Sendungsmachende

Am Mittwoch verschickte die Sendekommission von Radio Lora ein Mail an die rund 300 Personen, die auf Lora Sendungen machen. Das Schreiben liegt dieser Redaktion vor. Darin verweist die Sendekommission, welche die Programmgestaltung regelt, auf die Vorgaben des Bundes: Sendungen dürften «weder zu Rassenhass beitragen (…) noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen». Zudem müsse «sachgerecht» berichtet werden. Weiter heisst es, dass die Lora-Sendekommission die Vorwürfe der NZZ untersuche.

Mit dem Schreiben wolle man alle Sendungsmachenden daran erinnern, die üblichen Prozesse der Qualitätskontrolle anzuwenden, schreibt Radio Lora auf Anfrage. Fast alle Beteiligten seien in ihrer Freizeit für den Sender tätig.

Konzessionsentzug ist letztes Mittel

Ob die politischen Angriffe Lora zu schaden vermögen, bleibt fraglich. Bis eine Radiostation die Konzession des Bundes einbüsst, muss viel passieren. Die «Programmautonomie» ist durch die Verfassung garantiert.

Hinweise auf Verstösse müssen bei der Ombudsstelle des Bakom gemeldet werden. Diese leitet glaubwürdige Beschwerden an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weiter. Stellt die UBI eine Rechtsverletzung fest, kann sie beim Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation einen Konzessionsentzug beantragen. Ein solcher wäre die «Ultima Ratio», schreibt das Bakom auf Anfrage. Als mildere Massnahmen gebe es Auflagen oder Einschränkungen der Konzession.

Bei der UBI sind in den letzten Jahren keine Beschwerden gegen Lora eingegangen. Auch das Bakom hat keine Kenntnis von solchen. Wegen der negativen Medienberichte habe das Bundesamt bei Lora aber Auskünfte darüber angefordert, «wie das Redaktionsstatut und die Qualitätssicherung umgesetzt werden».

Am Montag wird sich der zuständige Bundesrat Albert Rösti (SVP) zu den Anfragen der SVP-Nationalrätinnen äussern.