20min, 15.08.2024

Zur Premiere der Dialogkampagne «Anders weiter» in Zürich diskutieren die Nationalrätinnen Anna Rosenwasser und Nina Fehr Düsel über Gender und Sprache – ein kontroverser Austausch.

Im Rahmen der Dialogkampagne «Anders weiter» des schweizweiten Netzwerks Formationplus debattierten SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser und die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel. 20min/Michael Scherrer

Ist es «Gender-Terror und Woke-Wahnsinn», wie die SVP behauptet oder führt die straffe Unterscheidung von Mann und Frau zu sexistischen Bemessungen und Beurteilungen, wie die SP meint: Gerade in der Genderdebatte gehen die Emotionen hoch.

Eine Brücke schlagen will nun der schweizweite Verband Bildungsplus im Rahmen der Kampagne «Anders weiter» mit «Dialogbänken» in der Stadt Zürich. «Die Kampagne soll Menschen mit unterschiedlichen Positionen, die sonst nicht zusammen auf einer Bank sitzen würden, in einem Dialog zusammenführen», erklärt Meret Schneider, Projektleiterin des Kampagnenforums.


Eine normale Stadtzürcher Sitzbank nahe der Kweer Bar, der ersten queeren Bar Zürichs, wird für diese Debatte kurzzeitig zur «Dialogbank». 20min/Michael Scherrer

Am Dienstag weihten die Zürcher SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser und die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel die Dialogkampagne mit einer Genderdebatte ein.

«Gesellschaft hat sich an Sprachregeln gewöhnt»

«Ich finde, das Thema Woke und Gender gerät manchmal etwas zu stark in den Vordergrund», sagt Fehr Düsel. Auch wegen des Sieges von Nemo am Eurovision Song Contest (ESC) würde man sehr viel darüber lesen und hören. «Jede Person hat ein Anrecht, ihre Sexualität auszuleben und ich habe damit auch kein Problem, aber manchmal geht es mir ein bisschen zu weit, gerade auch mit Forderungen zum Eintrag eines dritten Geschlechts.» Für Fehr Düsel entwickle es sich an Schulen fast in die Richtung eines Sprachdiktats.

«Ich werde den Eindruck bei dem Thema nicht los, dass es eigentlich gar nicht um veränderte Sprache geht, sondern was dahintersteckt», entgegnet Rosenwasser. Für Menschen sei es bereits normal, dass Sprache aus vielen Regeln besteht und die Gesellschaft habe sich an diese gewöhnt. «Wir lassen uns bereits so viel vorschreiben, was Sprache und Grammatik angeht.» Rosenwasser glaubt, dass diejenigen, die geschlechtergerechte Sprache ablehnen, in Wirklichkeit nicht wahrhaben wollten, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe.


Ziel der Dialogkampagne «Anders weiter» ist es, bei kontroversen Themen Verständnis für die gegenseitigen Perspektiven zu schaffen. 20min/Michael Scherrer

Rosenwasser sagt, ein gängiges Missverständnis sei, dass man das traditionelle Mann- oder Frau-Sein verbieten wolle. Das heize das Thema an. «Wenn ich fordere, dass wir unsere Sprache erweitern, geht es darum, dass jede Person sich selbst sein kann.»

«Aber dann solle das Gendern freiwillig sein», entgegnet Fehr Düsel, «Gendersterne machen Texte schwerfällig.»

«Manchmal findet man gemeinsamen Nenner»

Die beiden Politikerinnen zeigen sich zufrieden mit der Debatte auf der «Dialogbank»: «Ich bin immer dafür, dass man auf der Sachebene diskutiert und ich glaube, das ist uns heute gut gelungen», sagt Fehr Düsel. Manchmal finde man so auch einen gemeinsamen Nenner. «Das Ganze ist schon sehr erhitzt und emotional. Da haben beide Seiten vielleicht auch schuld dran. Aber ich glaube, die Debatte hier hat jetzt gut funktioniert.»