Bürgerliche Politiker reagieren auf die neusten Ergebnisse des Nebelspalter Politbarometers. Bild: Keystone / Eigene Montage
Die Fakten: Nationalräte der SVP und Mitte fordern weiterhin Mindeststrafen für Vergewaltigungen. FDP-Ständerat Andrea Caroni hält nichts davon.
Warum das wichtig ist: 78 Prozent der Schweizer wollen härtere Strafen für Vergewaltigungen. Das ergab das erste Nebelspalter Politbarometer. Der «Nebelspalter» hat mit bürgerlichen Politikern über die Resultate gesprochen.
Der Hintergrund: Seit dem 1. Juli 2024 ist das neue Sexualstrafrecht in Kraft. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist jetzt umfangreicher.
- Bereits der Beischlaf oder beischlafähnliche Handlungen gegen den Willen der Betroffen gelten als Vergewaltigung. Früher galt dies als sexuelle Nötigung.
- Eine Vergewaltigung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden – aber auch bloss mit einer Busse.
- Kommt noch Nötigung dazu, droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren.
- Handelt der Täter grausam, verwendet eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, beträgt die Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
In der parlamentarischen Beratung scheiterten Anträge für eine Mindeststrafe von zwei Jahren. Damit wären bedingte Strafen ausgeschlossen gewesen.
Härtere Strafen: Graben zwischen Politik und Bevölkerung
Nina Fehr Düsel, SVP-Nationalrätin (ZH), stellt immer wieder den Unmut der Bevölkerung über tiefe Strafen bei Verbrechern fest.
O-Ton Nina Fehr Düsel: «Hier wurde an der Bevölkerung vorbei politisiert. Gerade die Linken betreiben hier mehr Täter- als Opferschutz. Der Fokus liegt mehr auf der Resozialisierung als auf dem Schutz der Bevölkerung. Dabei wäre ein Abschreckungseffekt wichtig, das geht nicht ohne entsprechend hohe Strafen.»
Angesprochen auf den Graben zwischen Bevölkerung und Politik verweist Ständerat Andrea Caroni (AR) darauf, dass mit dem neuen Sexualstrafrecht härtere Strafen für Vergewaltigung eingeführt wurden.
O-Ton Andrea Caroni: «Wir haben gerade härtere Strafen für Vergewaltigung eingeführt. Aber die meisten Leute nehmen ja nicht das Strafgesetzbuch zur Hand oder studieren die Statistiken. Bei solchen Umfragen drücken Sie ihre Empfindung aus, was ihr gutes Recht ist.
Das Schweizer Strafrecht sieht einen offenen Strafrahmen vor. Richter haben damit einen entsprechenden Spielraum. Bei Sexualstraftaten sprechen Richter tendenziell Strafen im unteren Drittel des möglichen Strafraums aus.
Für Nina Fehr Düsel findet das falsch.
O-Ton Nina Fehr Düsel: «Manchmal vergessen gewisse Juristen den gesunden Menschenverstand. Laiengerichte oder Geschworenengerichte waren früher grundsätzlich sehr wohl in der Lage, angemessene, aber harte Strafen auszusprechen. Wenn man heute nur Profis hat, bewegt man sich vielleicht zu oft in der Theorie oder schreckt vor einem Urteil des EGMR zurück»
Ständerat Andrea Caroni stellt klar, dass das neue Strafrecht seit dem 1. Juli in Kraft ist. Es gelte für künftige Straftäter. Sollte es also zu milde Urteile geben, wurden diese noch unter dem alten Strafrecht gefällt. Entsprechend beziehe sich das Nebelspalter Politbarometer auf das alte Strafrecht.
O-Ton Andrea Caroni: «Die Umfrage fragt nach härteren konkreten Strafurteilen. Das ist nicht dasselbe wie die Frage nach dem gesetzlichen Strafrahmen. Wenn man diskutiert, ob es härtere Strafen braucht, denkt man oft daran, den gesetzlichen Strafrahmen nach oben zu erhöhen. Das nützt aber nichts. Ob die Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre erhöht wird, bringt nichts, wenn das Gericht über eine einjährige oder zweijährige Strafe nachdenkt. Es ist an den Gerichten, die Strafrahmen auszunutzen».
Mindeststrafen für Vergewaltigung: Positionen bleiben unterschiedlich
Möglichkeiten für eine Verschärfung lagen bei der Revision des Sexualstrafrechts auf dem Tisch. Diverse Politiker forderten Mindeststrafen für Vergewaltigungen. Darunter die Mitte und die SVP. Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy und SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel stehen zu dieser Position.
O-Ton Philipp Bregy: «Die Mitte hat genau aus diesem Grund Hand geboten, um die Strafen für Vergewaltigungen zu erhöhen, als einzige Partei neben der SVP. Für uns war klar: Faire Verfahren, aber harte Strafen. Bei schweren Delikten wie Vergewaltigung oder vorsätzlicher Tötung gibt es keinen Spielraum für Toleranz.»
O-Ton Nina Fehr Düsel: «Mindeststrafen müssen genug hoch sein. Auch gegen oben brauchen wir einen höheren Strafrahmen. Sonst können wir nicht auf die schlimmen Fälle reagieren. Damit nehmen wir den Richtern keinen Handlungsspielraum, sondern geben ihnen die nötigen Mittel für griffige Strafen.»
Ständerat Andrea Caroni steht Mindeststrafen kritisch gegenüber. Das Sexualstrafrecht bilde die unterschiedlichen Delikte jetzt verschärft ab.
O-Ton Andrea Caroni: «Man könnte nun versucht sein, die Mindeststrafen der Strafrahmens gesetzlich zu erhöhen. Das wäre aber auch falsch. Mindeststrafen müssen dem mildesten denkbaren Fall entsprechen. Wohin zu strenge Mindeststrafen führen, haben wir bei den Raserdelikten gesehen, wo wir sie bald wieder anpassen mussten.
«Es gibt bekanntlich verschieden schwere Sexualdelikte – vom unerwünschten Kuss bis zur Gruppenvergewaltigung. Das bilden wir im Strafgesetz auch ab. Wir haben es aber verschärft: Sexuelle Delikte ohne Nötigung waren bis Juni oft nur eine sexuelle Belästigung, eine bussenbewehrte Übertretung. Das haben wir korrigiert und mit dem Motto «Nein heisst Nein» den sexuellen Übergriff eingeführt und die Vergewaltigung auch ohne Nötigung.»