Die hochumstrittene Sarco-Kapsel, bei der Menschen selbständig in den Freitod können, war gemäss Blick-Informationen zum ersten Mal im Einsatz. Und zwar im Kanton Schaffhausen. Die Staatsanwaltschaft bestätigt mehrere Festnahmen.
Am Montag noch wollte SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel (43) vom Bundesrat wissen, wie er zur Sterbekapsel stehe. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) antwortete darauf: «Die Sarco-Suizidkapsel ist in zweierlei Hinsicht nicht rechtskonform.» Sie verstosse gegen das Produktesicherheitsrecht. «Sie darf nicht in Verkehr gebracht werden.» Weiter hielt die SP-Gesundheitsministerin fest, dass das Verwenden des Stickstoffs in der Suizidkapsel gegen das Chemikaliengesetz verstosse.
Was der Bundesrat nicht wusste: Fast gleichzeitig kam diese hochumstrittene Suizidkapsel gemäss Blick-Informationen in Schaffhausen das erste Mal zum Einsatz. Eine Person fand darin den Tod. Bei der Toten handelt es sich um eine 64-jährige Amerikanerin, wie Fiona Stewart, Co-Präsidentin der Organisation The Last Resort, gegenüber Blick mitteilt.
Am Montag, 23. September, erklärte der Bundesrat den Einsatz der Suizid-Kapsel als nicht rechtskonform. Im Bild: Fiona Stewart, Co-Präsidentin der Organisation The Last Resort.
Frau litt an Immunschwäche
Florian Willet, Co-Vorsitzender von The Last Resort, sei die einzige Person gewesen, die beim Suizid dabei war, sagt Stewart weiter. Er habe das Ableben der Frau als «friedlich, schnell und würdevoll» beschrieben. Der Tod fand unter freiem Himmel, unter einem Baldachin aus Bäumen, in einem privaten Waldstück nahe der schweizerisch-deutschen Grenze statt. Die Frau habe seit vielen Jahren an einer Reihe schwerwiegender Problemen im Zusammenhang mit einer schweren Immunschwäche gelitten, teilt Stewart mit.
Seit mindestens zwei Jahren habe sie den Wunsch verspürt, zu sterben. Ihre beiden Söhne seien «völlig einverstanden» gewesen, dass dies ihre Entscheidung sei. Die Söhne waren nicht in der Schweiz anwesend, sollen The Last Resort gegenüber aber schriftlich bestätigt haben, dass sie ihre Mutter in ihrem Entscheid unterstützen.
Die US-Amerikanerin sei vorab von einem Psychiater untersucht worden, der sie für kompetent befunden habe, sagt Stewart. Ihren Angaben zufolge hatte die Frau keine psychiatrische Vorgeschichte.
Sarco-Erfinder zufrieden
Der Erfinder des Sarco, Philip Nitschke, zeigt sich nach eingehender Beobachtung der Ereignisse «erfreut darüber, dass der Sarco genau so funktioniert hat, wie er konzipiert wurde, nämlich einen freiwilligen, nicht-medikamentösen, friedlichen Tod zum Zeitpunkt der Wahl der Person zu ermöglichen».
Fiona Stewart, Mitglied des Beirats von The Last Resort und Anwältin, erklärt, dass The Last Resort zu jedem Zeitpunkt auf der Grundlage der rechtlichen Beratung durch ihre Anwälte gehandelt habe. Die Rechtsberatung seit 2021 hat stets ergeben, dass der Einsatz von Sarco in der Schweiz rechtmässig wäre.
Begleiteter Suizid fand bei Waldhütte statt
Am Dienstagmorgen hatte Peter Sticher, der Erste Staatsanwalt, lediglich bestätigt, dass es im Zusammenhang mit Sarco einen Einsatz der Polizei und der Staatsanwaltschaft gegeben hatte.
Später präzisiert die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen: Sie ist am Montag um 16.40 Uhr von einer Anwaltskanzlei orientiert worden, dass am Nachmittag bei einer Waldhütte in Merishausen ein begleiteter Suizid mit der Kapsel Sarco stattgefunden habe. In der Folge rückte die Schaffhauser Polizei inklusive des kriminaltechnischen Einsatzdiensts und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen an den Tatort aus.
Das niederländische Aussenministerium erklärte, es stehe in Kontakt mit der Zeitung und den Schweizer Behörden. «Die Niederlande stehen entschieden für die Pressefreiheit ein. Es ist sehr wichtig, dass Journalisten weltweit frei arbeiten können», so das Ministerium.
Zusätzlich wurden Spezialistinnen und Spezialisten des Forensischen Instituts Zürich und des Instituts für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ) aufgeboten. Die Suizidkapsel Sarco wurde sichergestellt und die verstorbene Person zur Obduktion in das IRMZ gebracht. Die Staatsanwaltschaft prüft zudem die Verletzung von weiteren Straftatbeständen.