20min, 30.10.2024

Nach dem erneuten Mord eines schizophrenen Täters in Basel fordern Bürgerliche im Parlament strengere Gesetze. Unbegleitete Hafturlaube sollen für gefährliche Straftäter abgeschafft werden. Der Bundesrat dagegen zeigt sich zurückhaltend.


Der psychisch kranke Raphael M. soll zehn Jahre nach seinem Doppelmord in Basel Mitte August wieder getötet haben.

Der Fall schockierte die Schweiz. Mitte August war eine 75-jährige Frau im Treppenhaus eines Wohnhauses am Basler Nasenweg tot aufgefunden worden. Schon zehn Jahre zuvor hatte der mutmassliche Täter Raphael M.* (32) in der gleichen Nachbarschaft zwei Frauen ermordet und einen betagten Mann schwer verletzt.

Seither befand sich M. in einer stationären Massnahme in der psychiatrischen Universitätsklinik Basel. Er ist schizophren. Betroffene leiden oft unter Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Sie haben ein deutlich höheres Risiko für Gewaltstraftaten. Dennoch war der verurteilte Doppelmörder am Tattag auf unbegleitetem Freigang, was sogar Experten ratlos liess.

Hafturlaub sei wichtig für weitere Prognose

Dennoch sieht der Bundesrat keinen dringenden Handlungsbedarf. Schliesslich sei eine solche therapeutische Massnahme auf die mögliche Wiedereingliederung des Täters ausgerichtet – wenn dabei auch alle nötigen Sicherheitsmassnahmen zu beachten seien. Unbegleitete Hafturlaube seien dabei eine wichtige Vorstufe für den Entscheid, ob einem Täter in einer stationären therapeutischen Massnahme weitere Vollzugsöffnungen bewilligt werden sollen.

Würden Erfahrungen mit unbegleiteten Hafturlauben fehlen, dann würde es den Behörden massgeblich erschwert, Prognosen zu stellen. Ein generelles Verbot würde daher im Widerspruch stehen zum Zweck von therapeutischen Massnahmen.

Generelles Verbot von Hafturlauben wäre «unverhältnismässig»

Und: Zumindest für die Verwahrung, die primär auf Sicherung und nicht auf Resozialisierung ausgerichtet ist, habe der Bundesrat schliesslich einen Entwurf für ein Verbot von unbegleiteten Hafturlauben vorgelegt. Der Nationalrat habe dies im Juni aber abgelehnt – noch vor dem Tötungsdelikt von Basel.

Kommt hinzu: Für eine therapeutische Massnahme kämen nicht nur Täter in Betracht, die ein schweres Delikt begangen haben. Sogar ein Vergehen könne zur Anordnung einer solchen Massnahme führen, begründet das zuständige Justizdepartement von SP-Bundesrat Beat Jans (60). «Ein generelles Verbot von unbegleiteten Hafturlauben wäre jedenfalls in solchen Fällen unverhältnismässig.» Auch müsse der Fall von Basel nun erst einmal genau untersucht werden.

«Bundesrat verharmlost die Situation»

SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel (43) ist gar nicht einverstanden. Nach dem Tötungsdelikt von Basel will sie zusammen mit gleich 30 Parlamentariern von SVP, FDP und Mitte die Schraube beim Hafturlaub anziehen. Sie fordern vom Bundesrat, das Strafgesetzbuch zu verschärfen: Bei stationären Massnahmen und ordentlichen Verwahrungen sollen keine unbegleiteten Hafturlaube mehr gewährt werden.

«Der Bundesrat verharmlost hier die Situation», sagt Juristin Fehr Düsel. Bis ein Täter in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird, brauche es einiges. «Wir sprechen hier nicht von einfachen Fällen, sondern von meist psychisch schwer gestörten Tätern», betont Fehr Düsel. Komme hinzu, dass die Gerichte bei der Anordnung einer Verwahrung meist sehr zurückhaltend seien.

 

«Die Sicherheit der Bevölkerung ist stärker zu gewichten als der Freiheitsdrang eines einzelnen Täters», ist Fehr Düsel überzeugt. Auch gehe es in Fällen der Gemeingefährlichkeit bei Mord und Sexualstraftaten um Extremfälle, die schwer therapierbar seien. Hier stehe nicht die Resozialisierung im Vordergrund. Unbegleitete Hafturlaube sollen bei Verbrechern und psychisch schwer gestörten Tätern darum nicht möglich sein – oder erst nach langer Bewährungszeit, fordert sie.

Denn: «Gerade unbegleitete Urlaube sind ein grosses Sicherheitsrisiko.» Sogar eine elektronische Überwachung via Fussfessel biete zu wenig Sicherheit, da man nicht rechtzeitig reagieren könne. Das Risiko weiterer Gewalttaten und Rückfälle möchte die SVP-Politikerin daher möglichst ausschliessen. «Denn jeder Fall ist einer zu viel.»