Vergewaltigung und sexuelle Belästigung werden laut der SVP zu oft mit bedingten Freiheitsstrafen geahndet. Ein Vorstoss soll das ändern: Künftig sollen bedingte Strafen auf ein Jahr begrenzt werden. Im Parlament gehen die Meinungen dazu auseinander.
Das fordert die SVP-Nationalrätin und Juristin Nina Fehr Düsel in ihrer Motion.
Tamedia AG
Mitte November wird ein ehemaliger Bündner Richter wegen Vergewaltigung, mehrfacher tätlicher sexueller Belästigung und mehrfacher Drohung schuldig gesprochen. Das Gericht verurteilte ihn unter anderem zu 23 Monaten Freiheitsstrafe – jedoch nur bedingt. Der Täter muss in diesem Fall nicht ins Gefängnis: keinen einzigen Tag.
Dieser und ähnliche Entscheide seien für SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel stossend. Mit einer Motion verlangt sie deshalb eine Anpassung der Strafbestimmung in Artikel 42 Absatz 1 des Strafgesetzbuches. Künftig soll eine bedingte Freiheitsstrafe nur noch bei Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr ausgesprochen werden können – und nicht mehr wie bisher bis zu zwei Jahren.
Fehr Düsel (SVP): «Die Sicherheit der Bevölkerung hat Vorrang»
Fehr Düsel verfolgt mit ihrem Vorschlag zwei Ziele: Zum einen soll ein höherer Abschreckungseffekt erzielt werden. Zum anderen sollen Täter angemessener für ihre Verbrechen bestraft werden: «Derzeit kommt etwa jeder zweite Täter mit einer milden Strafe davon, während das Leben des Opfers zerstört ist», argumentiert sie.
«Kosten oder ein Mangel an Gefängnisplätzen dürfen nicht ausschlaggebend sein, härtere Strafen abzulehnen», betont die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel.
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Die SVP-Politikerin und Juristin ist überzeugt, dass durch diese Änderung Straftäter künftig nicht häufiger bedingte Freiheitsstrafen von nur einem Jahr statt zwei Jahren erhalten würden. «Das Strafmass ist gesetzlich festgelegt – ich sehe keinen Grund, warum es zu milderen Strafen kommen sollte.»
Ein Gefängnisaufenthalt kostet rund 19’000 Franken pro Monat. Dennoch erwartet Fehr Düsel keine Kostenexplosion durch den Vorstoss. «Kosten oder ein Mangel an Gefängnisplätzen dürfen nicht ausschlaggebend sein, solche Massnahmen abzulehnen. Die Sicherheit der Bevölkerung hat Vorrang.»
Min Li Marti (SP): «Eine erneute Anpassung ist zu früh»
«Der Churer Fall hat die Öffentlichkeit aufgerüttelt und für viel Unverständnis gesorgt», erinnert sich SP-Nationalrätin Min Li Marti, welche die Motivation hinter dem Vorstoss nachvollziehen kann. Dennoch unterstützt sie die Motion nicht: «Wir haben erst kürzlich das Sexualstrafrecht verschärft und im Zuge der Strafrahmenharmonisierung die Strafen erhöht. Eine erneute Anpassung kommt zu diesem Zeitpunkt zu früh.»
«Im schlimmsten Fall könnte der Vorstoss sogar einen gegenteiligen Effekt haben, indem Täter milder bestraft oder häufiger freigesprochen werden», meint SP-Nationalrätin Min Li Marti.
20min/Matthias Spicher
Ausserdem sei es nicht bewiesen, dass höhere Straftaten eine abschreckende Wirkung haben. «Im schlimmsten Fall könnte dies sogar einen gegenteiligen Effekt haben, indem Täter milder bestraft oder häufiger freigesprochen werden», betont Marti.
Patricia von Falkenstein (LDP): «Man kann nicht alle Straftaten über einen Kamm scheren»
Auch LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein ist der Meinung, dass die Strafen für Sexualdelikte verschärft werden müssen. Dennoch hält sie den Vorstoss für den falschen Ansatz: «Man kann nicht alle Straftaten über einen Kamm scheren.»
Die Gerichte benötigen einen gewissen Spielraum, betont die ehemalige Richterin und LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein.
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Die Juristin und ehemalige Richterin betont, dass Gerichte einen gewissen Spielraum benötigen und unabhängig entscheiden müssen – genau das wäre mit diesem Vorstoss jedoch nicht mehr gewährleistet.
Maya Bally (Mitte): «So wie der Vorstoss formuliert ist, habe ich Zweifel»
Auch für Mitte-Nationalrätin Maya Bally gehe die Anpassung des gesamten Gesetzesartikels zu weit. «So wie der Vorstoss formuliert ist, habe ich Zweifel, ob es der richtige Weg ist», sagt sie.
«Wir müssten in der Rechtskommission diskutieren, was sinnvoll wäre», erklärt Mitte-Nationalrätin Maya Bally.
20min/Matthias Spicher
Sie ist einverstanden, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf bestehe – wie dieser konkret definiert werden soll, ist jedoch noch unklar. «Wir müssten in der Rechtskommission diskutieren, in welcher Art und auch in welchem Ausmass Verschärfungen sinnvoll wären», erklärt Bally.