20min, 7.1.2025

Nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau starten Bürgerliche eine Grundsatzdebatte zur Strassenfinanzierung: Mit einer Vignette sollen Velofahrer künftig einen Beitrag leisten. Diese wehren sich heftig gegen die brisanten Pläne.

SVP-Nationalrätin Nina Fehr arbeitet an einem Vorstoss, um eine entsprechende Vignette obligatorisch zu machen.
SVP-Nationalrätin Nina Fehr arbeitet an einem Vorstoss, um eine entsprechende Vignette obligatorisch zu machen.
20min/Matthias Spicher

Die Schweizer Bevölkerung lehnte den Ausbau der Autobahnen im November knapp ab. Trotzdem bleibt die milliardenschwere Finanzierung und der Unterhalt von Strassen ein Dauerbrenner. Nationalstrassen und grössere Agglomerationsprojekte werden durch den Nationalstrassenfonds (NAF) bezahlt.

Schweizer Nationalstrassen und Agglomerationsprojekte werden durch den Nationalen Strassenfonds finanziert, der mit Geldern aus Autobahn-Vignette und Mineralölsteuer geäufnet ist.
Schweizer Nationalstrassen und Agglomerationsprojekte werden durch den Nationalen Strassenfonds finanziert, der mit Geldern aus Autobahn-Vignette und Mineralölsteuer geäufnet ist.
imago images/Andreas Haas

Geäufnet wird dieser Topf heute aus den Einnahmen der Autobahnvignette, der Automobilsteuer und der Mineralölsteuer. Finanziert werden damit aber auch Agglomerationsprojekte, die nicht nur dem Auto dienen. Und genau das ist urbanen Bürgerlichen ein Dorn im Auge – sie wollen auch Benutzer von Zweirädern zur Kasse bitten.

«Die Vignette soll für jede und jeden, der ein Velo benutzt, obligatorisch werden», fordert die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr.
«Die Vignette soll für jede und jeden, der ein Velo benutzt, obligatorisch werden», fordert die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr.
Tamedia AG

«Es gibt Millionen von Velofahrerinnen und Velofahrern in der Schweiz, die unsere Strassen und immer neue Velowege benutzen, aber keinen Rappen daran zahlen», sagt SVP-Nationalrätin Nina Fehr.

Velovignette: Obligatorisch und 20 Franken pro Jahr

Sie arbeitet deswegen an einem Vorstoss für die Einführung einer Velovignette. «Diese soll für jede und jeden, der ein Velo benutzt, obligatorisch werden», so die Zürcherin. Ihr schwebt ein Betrag von 20 Franken pro Jahr vor – die Hälfte des Preises einer Autobahnvignette. Ob die Vignette erneut aufgeklebt werden soll oder eine elektronische Lösung besser sei, überlässt die SVP-Frau dem Bundesrat.

Das halten Velofahrende von der Vignette

20 Minuten hat auf den Strassen Zürichs nachgefragt, wie Velofahrerinnen und Velofahrer zu einer Velovignette stehen. Lara (26) aus Zürich, die regelmässig Velo fährt, ist grundsätzlich einverstanden mit der Velovignette – aber: «Wenn sich die Velofahrenden an den Kosten beteiligen sollen, müssen auch die Strassen velofreundlicher gestaltet werden.»

Viele Velofahrerinnen und Velofahrer haben nichts gegen eine Velovignette – sofern das Geld auch den Velowegen zugutekommt.
Viele Velofahrerinnen und Velofahrer haben nichts gegen eine Velovignette – sofern das Geld auch den Velowegen zugutekommt.
20 Minuten/Christina Pirskanen

Heutzutage seien die Velowege, vor allem in der Stadt Zürich, nicht durchgehend oder ungenügend geschützt. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine: Auch Velofan Martina (35) koppelt ihre Bereitschaft, die Vignette zu bezahlen, an die Bedingung, dass das Geld auch in den Bau von mehr Velowegen investiert werde.

Christina (47) ist grundsätzlich bereit, eine Velovignette zu bezahlen – unter der Bedingung, dass die Kosten transparent gemacht werden.
Christina (47) ist grundsätzlich bereit, eine Velovignette zu bezahlen – unter der Bedingung, dass die Kosten transparent gemacht werden.
20 Minuten/Christina Pirskanen

Für Christina (47) aus dem Kanton Solothurn bräuchte es zudem eine Kostentransparenz: «Ich will wissen, wofür das Geld dann konkret eingesetzt wird.» Und auch Andi (39) aus Zürich hätte kein Problem damit, 20 Franken jährlich für die Vignette zu bezahlen. Er findet jedoch: «Damit die Verhältnismässigkeit stimmt, müsste eigentlich die Autobahnvignette mindestens doppelt so teuer sein, als sie aktuell ist.» Denn es gebe wesentlich mehr Infrastruktur für Autos als für Velofahrende, meint er. (pir)

Bis 2012 existierte bereits eine Velovignette – allerdings diente diese nicht der Strassenfinanzierung, sondern als Haftpflichtversicherung. Mit dem neuen Zweck würde «ein substantieller Betrag für die Finanzierung des Strassenunterhalts» zusammenkommen, ist Fehr überzeugt. Damit dürfte der Staat dutzende Millionen einnehmen. Eine genaue Zahl der in der Schweiz genutzten Velos gibt es nicht – doch allein 2023 wurden rund 400’000 neue Fahrräder verkauft.

Unterstützung erhält Fehr von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, der selbst oft auf dem Velo unterwegs ist. «Velofahrer profitieren von den Abgaben der Automobilisten, ohne selbst etwas zur Finanzierung beizutragen», sagt der Stadtberner. «Gerade die linken Städte, welche sich gegen jegliche Strassenprojekte wenden, können so vermehrt selbst für ihre Projekte aufkommen», glaubt er. Ausserdem könnten durch eine Velovignette die Automobilisten entlastet werden, so Wasserfallen.


Pro Velo: Wenig Platzbedarf und tiefe Kosten

Gar nichts von der Idee hält SP-Nationalrat Hasan Candan. Das Autobahn-Nein habe die Bürgerlichen in Aufruhr versetzt, nun würden sie «unter Schnappatmung einen unüberlegten Schnellschuss» produzieren. Es sei falsch, die verschiedenen Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen.

Hasan Candan (SP) ist Vizepräsident von Pro Velo und wehrt sich vehement gegen eine neue Vignette.
Hasan Candan (SP) ist Vizepräsident von Pro Velo und wehrt sich vehement gegen eine neue Vignette.
20min/Tim Rütsche

Candan ist Vizepräsident von Pro Velo und sagt, das Velo sei das effizienteste Fortbewegungsmittel, brauche wenig Platz und verursache am wenigsten Kosten für die Allgemeinheit. Er verweist auf die hohen Kosten des Verkehrs in Höhe von 102 Milliarden Franken pro Jahr – ein grosser Teil davon seien Unfallkosten und Umweltschäden. Dafür verantwortlich sei der motorisierte Verkehr. Deshalb müssten Velofahrerinnen- und Velofahrer wenn schon jährlich 20 Franken erhalten.

VCS-Chefin warnt vor Doppelbesteuerung

Ablehnend äussert sich auch der Verkehrsclub der Schweiz. «Der Strassenbau – insbesondere auch die von den Velos benutzten Infrastrukturen der Gemeinden – werden auch aus Steuerkassen finanziert. Und da bezahlen Velofahrende bereits heute mit», sagt Geschäftsführerin Stéphanie Penher.

Hinzu komme, dass unzählige Menschen sowohl ein Auto wie auch ein Velo besässen. «Die Frage wäre zumindest legitim, ob eine Veloabgabe nicht zu einer Doppelbesteuerung führt und dasselbe in sehr vielen Fällen mehrfach finanziert wird», mahnt Penher.
Fehr wird den Vorstoss wohl im Frühling einreichen. Dann dürfte sich auch bald zeigen, was ihr Parteikollege und Verkehrsminister Albert Rösti von der Idee hält.