NZZ. 12. Juli 2025

Weil bereits 16-Jährige mit grossen Motorrädern fahren dürfen, häufen sich die schweren Unfälle. Wie kann die Jugend besser geschützt werden?

Das Bundesamt für Strassen erwägt auch «repressive Ansätze»: Ein Motorradfahrer auf der Autobahn.
Das Bundesamt für Strassen erwägt auch «repressive Ansätze»: Ein Motorradfahrer auf der Autobahn.

Es ist das berauschende Gefühl von Freiheit, Geschwindigkeit und Unabhängigkeit, das viele junge Menschen dazu bewegt, bereits mit 16 Jahren auf ein Motorrad mit 125 cm3 zu steigen – und loszurasen. Dafür benötigen sie nichts weiter als Theorieprüfung und Lernfahrausweis. Diese Regelung wurde 2021 eingeführt, um sich dem EU-Recht anzupassen. Zuvor mussten Jugendliche warten, bis sie volljährig waren, um auf grossen Töffs zu fahren. Mit 16 Jahren stand ihnen lediglich die Kategorie bis 50 cm3 offen, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Auch für sie wurde 2021 das Mindestalter gesenkt, von 16 auf 15 Jahre.

Doch das Gefühl hat einen hohen Preis. Erst kürzlich sorgte der Fall eines tödlich verunglückten jugendlichen Töfffahrers für Schlagzeilen. Darauf meldete sich eine Aargauer SVP-Grossrätin zu Wort und forderte die Rückkehr zur Alterslimite 18 – ihre 17-jährige Tochter hatte nur knapp einen Motorradunfall überlebt. Das sind keine Einzelfälle, wie die Statistik zeigt.

Viele Selbstunfälle

Seit Einführung der neuen Regelung hat sich die Zahl schwerer Unfälle von 15- bis 17-Jährigen mit Motorrädern beinahe verdreifacht – von rund 50 auf 150 pro Jahr. Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat die Zahlen analysiert und schreibt: «Die Herabsetzung des Mindestalters hat sich negativ auf die Verkehrssicherheit von jugendlichen Motorradfahrern ausgewirkt.» Besonders häufig kam es zu Selbstunfällen, meist ausserorts. Ursachen waren nicht angepasste Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung.

Viel mehr junge Opfer

Entwicklung der schweren Motorradunfälle bei den 15- bis 17-Jährigen

Nun prüft der Bund Massnahmen. Das Astra hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt – mit Vertretern der Fahrlehrer, des Motorradgewerbes, der Verkehrssicherheitsverbände und der Polizei. Zur Diskussion stehen auch Zeitpunkt, Dauer und Inhalt der praktischen Grundschulung. «Viele junge Neulenkende verunfallen bereits in der Phase zwischen dem Erhalt des Lernfahrausweises und der obligatorischen Schulung», schreibt das Astra. «Hier setzen unsere Überlegungen an.»

Das ist brisant: Bis jetzt musste der praktische Grundkurs innerhalb der ersten vier Monate absolviert werden. Neu wäre also denkbar, dass alle Neulenker erst nach diesem Kurs auf die Strasse dürfen. Walter Wobmann, Präsident des Motorradverbands Swiss Moto, unterstützt diese Idee: «Es braucht zuerst eine solide Fahrsicherheitsschulung – auch für über 18-Jährige.»

Parallel prüft das Astra auch weitere Massnahmen – «präventive und repressive Ansätze», wie es auf Anfrage schreibt. Details will es noch keine nennen. 2027 ist eine Vernehmlassung geplant.

Wieder zurück zur höheren Limite

Einigen Parlamentariern ist das zu spät – und zu wenig. Bereits Ende 2024 forderte der Mitte-Nationalrat Sidney Kamerzin in einer Motion die Rückkehr zur Alterslimite von 18 Jahren. Nun wollen weitere nachziehen. Die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel plant ebenfalls einen Vorstoss mit dieser Forderung. «Mir liegt der Jugendschutz am Herzen», sagt sie. Die FDP-Nationalrätin Bettina Balmer hat Sympathien für das Anliegen: «Man sollte aus Fehlern auch lernen können.» Unterstützung ist von SP und GLP zu erwarten; beide Parteien äusserten sich bereits früher kritisch zur Senkung der Limite. Auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung und der Fahrlehrerverband fordern eine Rückkehr zur alten Altersgrenze.

Bei der SVP hingegen führt das Thema zu Spannungen. Während Fehr Düsel auf Unabhängigkeit gegenüber der EU pocht, warnt Nationalrat Andreas Glarner vor Schnellschüssen: «Ich bin grundsätzlich nicht für Verschärfungen von Gesetzen. Es gilt die Eigenverantwortung.»