tagesanzeiger, 5. Oktober 2025

Verkehrsstau in der Zürcher Innenstadt mit Luxusautos und historischem Fahrzeug. Anliegende Geschäfte im Hintergrund.

In Kürze:

  • Nach dem schweren Unfall in Glattbrugg kommt die Forderung nach einem beschränkten Zugang zu leistungsstarken Fahrzeugen wieder ins Parlament.
  • Nationalrätin Gabriela Suter (SP, AG) schlägt einen Zusatzfahrausweis vor, um Autos ab einer gewissen Leistungsdichte fahren zu dürfen.
  • Diesmal bekommt sie Zustimmung auch von rechts. Sie habe Sympathie für den Vorschlag, sagt SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel (ZH).

Am Abend des 18. September kam es in Glattbrugg zu einem Verkehrsunfall mit Horrorfolgen: Ein 19-Jähriger fuhr mit einem 450 PS starken SUV in eine Gruppe von Menschen auf dem Trottoir, zwei wurden getötet. Der Fahrer ist in Untersuchungshaft, gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Verdachts auf ein Raserdelikt. Er fuhr in der 40er-Zone, in der sich auch eine Schule befindet, mutmasslich zu schnell.

Raserunfälle seien seit Corona deutlich gestiegen, sagt der Zürcher Staatsanwalt Michael Huwiler. 2020 zählte der Kanton Zürich 141, vergangenes Jahr waren es 205. Mittlerweile gebe es im Kanton alle sechs Tage einen Raserunfall, «leider oft mit Verletzten oder Toten». Oft seien junge Männer und leistungsstarke Autos involviert.

Junglenker verursachen in der Schweiz im Schnitt 200 schwere Unfälle pro Jahr, das heisst, mit Schwerverletzten oder Getöteten. Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung hat das überdurchschnittliche Risiko vielschichtige Gründe: «Sie haben weniger Fahrerfahrung, sind risikofreudiger, neigen häufiger zu Selbstüberschätzung, und ein Teil (häufiger junge Männer) ist fasziniert von hochpotenten Fahrzeugen.»

Gabriela Suter regt spezielle Fahrstunden an

Bis jetzt hat es das Parlament abgelehnt, Junglenkern den Zugang zu PS-starken Autos zu erschweren, wie Italien und Kroatien dies kennen. Eine entsprechende Motion von Gabriela Suter (SP) hat der Nationalrat 2022 abgelehnt, nur SP und Grüne waren dafür.

Jetzt nimmt Suter einen neuen Anlauf – mit einem modifizierten Ansatz: Der Zugang zu leistungsstarken Autos soll nicht anhand von Alter oder der PS-Zahl reguliert werden, sondern von Leistungsdichte (Kilowatt pro Kilogramm) und Beschleunigungsvermögen eines Fahrzeugs. Neulenker, die ein Auto ab einer gewissen Leistungsstärke fahren wollen, sollen zuerst einige Speziallektionen, etwa in Fahrphysik, absolvieren müssen, sagt die Aargauerin. «Denkbar wäre eine Art Zusatzausweis.»

Gabriela Suter von der SP im Bundeshaus, lächelnd und in einem weissen Hemd, am 27. September 2021 aufgenommen.

Weiter will sie das Fahren auf öffentlicher Strasse mit deaktiviertem elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) schärfer sanktionieren. Das ESP verhindert, dass ein Auto ins Schleudern gerät. Bei männlichen Junglenkern sei das Ausschalten hoch im Kurs «für ein sogenannt sportliches Fahrgefühl und um zu driften». Suter hat letzte Woche zwei Interpellationen mit diesen Anregungen eingereicht.

Nina Fehr Düsel will Bevölkerung schützen

Nun bekommt sie erstmals Zuspruch auch von rechts. Sie habe Sympathien für die beiden Vorstösse, sagt die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel. Als Juristin in der Versicherung sehe sie, dass Junglenker ein deutlich höheres Unfallrisiko hätten, «oft auch solche mit Migrationshintergrund». Gerade nach dem schweren Unfall in Glattbrugg müsse man gewisse Einschränkungen zur Diskussion stellen.

Nina Fehr Düsel von der SVP geht während der Frühjahrssession 2025 im Bundeshaus. Sie trägt einen grünen Blazer und hält ein Smartphone.

In ihrer Partei, der SVP, werde es dafür noch etwas Überzeugungsarbeit brauchen, sagt sie. Doch es sei ihr wichtig. «Es geht um die Sicherheit der Bevölkerung. Man muss sich vorstellen, die eigene Mutter oder das eigene Kind wäre dort auf dem Trottoir gestanden.» Und schliesslich würden die jungen Lenkerinnen und Lenker nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt. «Es gibt heute so viele Verkehrsmittel wie Roller, normale Autos, der öffentliche Verkehr oder E-Bikes.» Die Freiheit, die hier beschnitten werde, sei also minim.

Weiteres Risiko: Junglenker mit 125er-Töff

Fehr Düsel hat letzte Woche ebenfalls einen Vorstoss eingereicht, der parteiübergreifend Zustimmung bekommt. Sie will vom Bundesrat wissen, warum er die Alterslimite für Motorräder mit 125 Kubikzentimeter Hubraum von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt hat und wann er diesen Schritt rückgängig zu machen gedenkt. Nach der Verordnungsanpassung im Jahr 2021, die gemäss einer EU-Richtlinie erfolgt war, hat sich in der Schweiz die Zahl der Motorrad­unfälle in der entsprechenden Kategorie verdreifacht. Es brauche dringend Korrekturen, sagt Fehr Düsel, auch Verbände wie TCS oder der Fahrlehrerverband hätten das Thema auf dem Radar.

Die Interpellation von Nina Fehr Düsel haben 40 Parlamentarierinnen und Parlamentarier mitunterzeichnet, darunter viele aus SP und Grüne. Das freue sie sehr. «Es zeigt, dass ein Umdenken im Gang ist.»