Ein vom EJPD in Auftrag gegebener Untersuch kommt zum Schluss, dass von rechts bis links schon fast alle Nationalratsmitglieder Drohungen erlebten. Betroffene über konkrete Fälle und die Folgen solcher Anfeindungen.
«Du F***, Frauen gehören an den Herd» oder «Du bist SVP, ohne deine Kollegen hier würde ich dich zusammenschlagen»: Solche Drohungen gehören für viele Politikerinnen und Politiker in der Schweiz leider zum Alltag. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Universität Zürich, die diese im Auftrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD durchgeführt hatte. Vor allem die Mitglieder des Nationalrats sind laut den Autorinnen besonders häufig betroffen.
Wer auf X oder Tiktok Politik macht, ist besonders exponiert
Unter allen Befragten, die Anfeindungen erleben, berichten Frauen doppelt so häufig von Hassrede-Erfahrungen wie Männer. Ein Drittel aller angefeindeten Befragten berichtet, in den letzten zwei Jahren mindestens eine Anfeindungswelle erlebt zu haben. Wer über Tiktok oder X (ehemals Twitter) kommuniziert, ist laut der Studie einer 1,6 Mal so hohen Gefahr ausgesetzt, eine solche Hasswelle zu erleben.
Wie SVP-Politiker Mike Egger (33) zu 20 Minuten sagt, hätten Drohungen und Angriffe seit Beginn seiner Nationalratskarriere 2019 deutlich zugenommen: «Erst letzten Freitag wurde ich im Ausgang beleidigt», so Egger, der in der Vergangenheit auch schon tätlich angegriffen wurde. Am häufigsten werde er aber digital angefeindet und bedroht, vor allem in den sozialen Medien und über E-Mail.
SVP-Egger: «Dicke Haut nötig – doch es gibt rote Linie»
Oft werde er zum Beispiel im Zusammenhang mit seinem gelernten Beruf als Metzger verbal attackiert. Einige der Anfeindungen sammelt der Politiker in einer Schublade. «Man muss ein bisschen eine dicke Haut entwickeln und gewisse Dinge auch an einem abprallen lassen», so der SVP-Nationalrat. Bei Angriffen sei die rote Linie aber klar überschritten.

SP-Nationalrat Hasan Candan erlebt immer wieder Anfeindungen und Drohungen wegen seines Namens.20min/Matthias Spicher
Die Studie zeige aber, dass Drohungen und Beleidigungen für alle Politikerinnen und Politiker ein Problem seien: Der SP-Nationalrat fordert deshalb eine Meldeplattform, auf der Politikerinnen und Politiker solchen Anfeindungen systematisch erfassen können. «Es sind keine Einzelfälle. Ich finde es wichtig, hier muss die Politik geschlossen stehen und klarmachen: Eine eigene Meinung zu haben ist wichtig und richtig, bei persönlichen Anfeindungen aber herrscht Nulltoleranz.»
«War eine Personifizierung von allem, was man ablehnt»
Meret Schneider erlebt immer wieder wüste Anfeindungen und Drohungen und setzt sich seit Längerem für stärkere Regulierungen auf Social-Media-Plattformen ein. «Nicht zuletzt hat sich der Tonfall online mir gegenüber extrem verschärft», sagt sie zu 20 Minuten. Die Grüne-Nationalrätin erhielt anfangs Jahr Tausende Hassnachrichten, weil sie strengere Regeln bei Elon Musks X forderte.

SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel fordert, dass die Bevölkerung mehr für das Problem sensibilisiert wird, der Justiz aber auch neue Mittel zur Verfügung gestellt werden.20min/Matthias Spicher
«Wenn ich daran denke, was ich alles schon von Kollegen gehört habe, bin ich bislang wohl von Schlimmsten verschont geblieben», sagt Nina Fehr-Düsel gegenüber 20 Minuten. Doch auch die SVP-Nationalrätin erlebt immer wieder Beleidigungen und Drohungen, vor allem in den sozialen Medien. Die Einschätzung der Studienverantwortlichen, dass Politikerinnen deutlich öfter betroffen sind als Politiker, teilt sie: «Frauen sind wohl auch exponierter für solche Angriffe, weil sie in gewissen Parteien viel weniger stark vertreten sind als Männer und so eher im Fokus stehen.»