20 minuten, 04. Oktober 2019

SVP-Kreise nehmen einen neuen Anlauf, um das Jugendstrafrecht zu verschärfen. Schon 17-Jährige sollen bei schweren Verbrechen lebenslängliche Strafen erhalten.

Im Alter von 16 Jahren tötete Kris V.* seine Internetbekanntschaft Boi (17) mit einem Holzscheit. Das Jugendgericht Baden verurteilte Kris V. 2013 zur Höchststrafe im Jugendstrafrecht: Freiheitsentzug von vier Jahren und geschlossene Unterbringung bis zum Alter von 25 Jahren. Letztes Jahr kam er frei. Auch in anderen Fällen begingen Minderjährige schwere Verbrechen.

Junge Straftäter sollen künftig schärfer bestraft werden. Das fordern die Juristin Nina Fehr Düsel (SVP) und der Milieuanwalt Valentin Landmann (SVP) in einem neuen Vorstoss im Zürcher Kantonsrat. Dieser soll in Bundesbern folgende Verschärfungen verlangen:

  • Bereits 17-Jährige sollen in schweren Fällen von Gewaltverbrechen wie Erwachsene bestraft werden können. Auch lebenslängliche Haftstrafen nach Schweizer Recht wären dann möglich. In der Praxis heisst das, dass eine Entlassung frühestens nach 10 Jahren möglich ist.
  • Ab 15 Jahren soll neu ein Freiheitsentzug von zwei Jahren statt wie heute von einem Jahr möglich sein.
  • Eine Anhebung des Strafmasses wird auch bei 16-Jährigen gefordert. Sie sollen neu mit einem Freiheitsentzug bis zu sechs Jahren bestraft werden können – heute sind es maximal 4 Jahre.

«Behörden stossen schnell an Grenzen»

«Es geht uns nicht darum, alle straffälligen Jugendlichen abzuschreiben», sagt Anwalt Landmann. «Mit dem aktuellen Jugendstrafrecht und den Jugendmassnahmen stossen die Behörden heute jedoch schnell an Grenzen. Wir wollen jedoch die Übergangszeit ins Erwachsenenalter flexibler gestalten.» Durch eine solche Flexibilisierung hätten Richter bei Schwerstverbrechern mehr Spielraum.

Landmann und Fehr Düsel machen ein Beispiel: «Jemand, der eine Woche vor seinem 18. Lebensjahr mehrere Menschen umbringt, ist spätestens mit 25 Jahren wieder draussen. Begeht er die Tat wenige Tage später, erhält er lebenslänglich.»

Laut Fehr Düsel ist eine Verschärfung auch darum nötig, weil die Täter immer jünger würden. «Auch die Schwere der Straftaten nimmt laut der Statistik zu.» Die aktuelle Rechtslage berücksichtige dies nicht. Die Anpassungen wirkten abschreckend. Sie wolle das Schweizer Strafrecht, das auf Resozialisierung ausgelegt ist, durch die längeren Freiheitsentzüge nicht auf den Kopf stellen. «Natürlich bleiben Massnahmen ein wichtiger Bestandteil.»

«Willkürlich gewähltes Alter»

Der Walliser CVP-Nationalrat und Rechtsanwalt Philipp Matthias Bregy spricht sich nur teilweise für den Vorstoss von Fehr Düsel und Landmann aus. «In der Schweiz gilt man erst ab dem 18. Lebensjahr als mündig. Vorher Erwachsenenstrafrecht anzuwenden, ist gegen jegliche Konzeption. Auch ist das 17. Lebensjahr sehr willkürlich gewählt.» Der ehemalige Jugendrichter-Stellvertreter begrüsst hingegen die Erhöhung des Maximalstrafrahmens. «Dadurch hätten die Richter mehr Spielraum. Ausserdem sind Strafandrohung durch diese Erhöhung abschreckender.»

Die Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan lehnt eine Verschärfung dagegen vehement ab: «Der Vorstoss ist Augenwischerei. Die SVP stellt damit kurz vor den Wahlen einmal mehr die Bestrafung in den Mittelpunkt, von Resozialisierung keine Spur. Dabei scheint sie zu vergessen, dass durch lange Strafen den Jugendlichen viel verbaut wird.» Durch lange Strafen seien Jugendliche zu lange von ihrem gewohnten Umfeld getrennt. «Der Anschluss in den Alltag und in die Gesellschaft wird dadurch schwieriger.» Die Schweiz habe im Vergleich mit anderen Ländern bereits hohe Jugendstrafen. Auch sei die letzte Revision des Jugendstrafrechts erst 2016 über die Bühne gegangen.

* Name der Redaktion bekannt