NZZ, 04.06.21

Erfolg für die Maskengegner: Ein Urteil des Verwaltungsgerichts beendet die umstrittene Massnahme – vorerst.

Der Widerstand war gross. Schon als die Zürcher Bildungsdirektion im Januar entschieden hatte, die Maskenpflicht auf die Klassen ab der 4. Primarklasse auszuweiten, wurden Gegenstimmen laut. Rund 30 Rekurse gingen bei der Zürcher Regierung ein; eine emotionale Debatte setzte ein.

Der Protest wurde lauter, als der Bundesrat Ende Mai Lockerungen beschloss und die Zürcher Verantwortlichen trotzdem an der Massnahme festhielten. Bis zu den Sommerferien sollte in den Innenräumen weiterhin eine Maskenpflicht gelten. Die SVP sprach von «Kinderquälerei».

Nun fällt die Maskenpflicht in der Primarschule. Das Zürcher Verwaltungsgericht hat am Donnerstag ein Urteil gefällt, das die Maskengegner freut.

Eine der prominentesten Bekämpferinnen der Maskenpflicht an den Schulen ist die SVP-Kantonsrätin Nina Fehr Düsel. Sie hatte Anfang Februar unter anderem mit weiteren Politikerinnen eine Petition aufgesetzt. Diese wurde laut Fehr Düsel innert neun Tagen von 6000 Personen unterschrieben. Sie sagt: «Wir sind sehr froh über das Urteil. Viele Eltern und Kinder werden dankbar sein. Da die Massnahmen Ende Mai gelockert wurden, hätte es aus unserer Sicht keinen Sinn ergeben, wenn die Primarschüler noch eine Maske getragen hätten.» Dazu komme noch, dass die Impfkampagne immer weiter voranschreite und die Lehrpersonen sowieso eine Maske trügen. Ausserdem könne man ja bei den steigenden Temperaturen auch vermehrt lüften, sagt Fehr Düsel.

Die Maskengegner hatten Ende Januar einen Rekurs gegen die Massnahme eingereicht. Ein solcher Rekurs hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Sprich: Bis nicht ein Gericht endgültig entschieden hat, darf die Massnahme nicht eingeführt werden. Davon darf nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Der Zürcher Regierungsrat ging von einem solchen Ausnahmefall aus, was sich die Maskengegner allerdings nicht gefallen liessen. Sie wandten sich an das Verwaltungsgericht.

Dieses hat den Beschwerdeführern nun recht gegeben. Im Rahmen einer vorläufigen Prüfung der Prozesschancen sei man zum Schluss gekommen, dass die Bildungsdirektion «für die Anordnung einer Maskentragpflicht nicht zuständig gewesen sein dürfte». So begründet das Gericht das Urteil in einer Medienmitteilung. Die Verweigerung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei deshalb unverhältnismässig.

Regierungsrat nimmt den Entscheid zur Kenntnis

Der Zürcher Regierungsrat nimmt den Entscheid zur Kenntnis und wird nach einer Analyse das weitere Vorgehen festlegen, wie er am Freitagmittag mitteilte. Für die Bildungsdirektion sei dieser Entscheid bindend. Er hat zur Folge, dass die Maskentragpflicht auf der Primarstufe der Zürcher Volksschulen mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres ausgesetzt ist. Alle anderen Schutzmassnahmen an den Schulen blieben weiterhin in Kraft, schreibt der Regierungsrat.

Noch Anfang Woche hatte die Bildungsdirektion die Maskenpflicht gegenüber der NZZ als erforderlich bezeichnet, «um weiterhin einen möglichst uneingeschränkten Schulbetrieb zu ermöglichen». Das oberste Ziel sei, einen möglichst regulären Unterricht zu gewährleisten, dafür müsse die Anzahl Quarantäneverordnungen an den Schulen auf tiefem Niveau gehalten werden.

Dabei bezog sie sich auf Einschätzungen der Professorin Susi Kriemler vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich. Kriemler hatte die Daten der Bildungsdirektion zu Klassenquarantänen ausgewertet und aufgezeigt, dass in den letzten Monaten auf der Kindergarten- und Unterstufe mehr Klassen in Quarantäne geschickt wurden als auf der Mittel- und Oberstufe. Die Bildungsdirektion folgerte daraus, dass die Masken ein effektives Mittel gegen Infektionen seien.

Während etwa der SP-Kantonsrat Andreas Daurù die Maskenpflicht gegenüber der NZZ als sinnvoll und vertretbar bezeichnete, wurde die Massnahme von einzelnen Eltern kritisiert. Einige entschlossen sich sogar, ihre Kinder privat zu unterrichten. Da Privatunterricht in Zürich nicht bewilligungspflichtig ist, mussten die Eltern das Homeschooling einzig der Schulpflege ihrer Wohngemeinde und der Bildungsdirektion melden. Ende Januar wurden laut dem Volksschulamt 400 von rund 160 000 Schülerinnen und Schülern im Kanton Zürich zu Hause unterrichtet.

Freude auch bei der FDP

Über den Entscheid des Verwaltungsgerichts freut sich auch die Zürcher FDP-Gemeinderätin Yasmine Bourgeois. Sie bezweifle weiterhin, dass die Maskenpflicht epidemiologisch wirklich gross geholfen habe, auch wenn sie in Kombination mit den Quarantäneregeln selbstverständlich verhindert hätte, dass gesamte Schulklassen in Quarantäne hätten geschickt werden müssen: «Insgesamt sagt der Entscheid weniger über die Maskentragpflicht für Kinder als über die Kompetenzen der Regierung in der Krise aus. Der Entscheid dürfte damit auch in anderen Bereichen Signalwirkung haben», sagt sie.

Das sieht auch der Rechtsanwalt Philipp Kruse so, der beispielsweise beim Kantonsgericht Baselland mit mehreren Elternpaaren Beschwerde eingereicht hatte. Rund zwei Stunden nach der Urteilsverkündung schreibt Kruse auf dem Nachrichtendienst Telegram, dass dieses Urteil ein grosser Erfolg für die Primarschüler sei. «Damit haben die betroffenen Kinder Luft und Erleichterung, während wir die Streitpunkte im Hauptverfahren im Kanton Zürich (wie auch in anderen Kantonen) klären», schreibt Kruse.

Wann das Gericht sein definitives Urteil fällt, ist nicht bekannt. Gut möglich, dass die Maskenpflicht an der Zürcher Primarschule bis dann aber aufgrund der guten Corona-Lage ohnehin nicht mehr gelten wird.