Haben die Ferien unseren Politikerinnen und Politikern Erkenntnisse gebracht? Und wie solls hier weitergehen? Dazu gibt es pointierte Meinungen.
Ferienzeit ist Reisezeit, heisst es. Reisen bildet, sagt man auch. In Pandemiezeiten ist es zudem interessant zu erleben, wie es andere Länder handhaben mit den Corona-Massnahmen.
Wir haben deshalb ausgewählte Kantonsrätinnen und -räte nach ihren einschlägigen Ferienerfahrungen gefragt. Und wir wollten wissen, ob sie daraus Rückschlüsse für das Corona-Regime im Kanton Zürich ziehen.
In Palma de Mallorca und in Bonn war Josef Widler (Die Mitte). Als «daneben» empfand er, dass auf der spanischen Insel auch Kinder unter 12 Jahren Masken tragen mussten. Das Zertifikat musste der geimpfte Widler mehrmals zeigen. Die jungen Ferienrückkehrer von der Partyinsel sollen sich zu Hause so verhalten, als hätten sie das Virus in sich, findet Widler. Rigide war das Regime auf den deutschen Autobahnraststätten: Den Kaffee gabs nur mit Zertifikat. In der Hotelbar wiederum feierten 50 Personen ohne Maske – und ohne zuvor kontrolliert worden zu sein. «Inkonsequent», so Widler.
In der Schweiz fordert er die Rückkehr zur Normalität. Ab Oktober soll die Maskenpflicht in den Läden und im ÖV fallen. «Die meisten Risikopatienten sind geimpft, das Gesundheitssystem ist nicht mehr bedroht», sagt Widler. «Der Ungeimpfte darf die Freiheit des Geimpften nicht stehlen – und umgekehrt», philosophiert er. Sorgen bereiten ihm die gesellschaftlichen Verwerfungen und der «quasireligiöse Eifer» der Befürworter und Gegner der Corona-Massnahmen. Auch dafür hat er ein Bonmot: «Wenn sie wollen, dass sich einer bewegt, dürfen sie ihn nicht an die Wand nageln.»
Menschen zählen am Strand
Nina Fehr Düsel (SVP), ebenfalls geimpft, war mit dem Auto in Ligurien unterwegs. Ihr Zertifikat musste sie weder an der Grenze noch sonst wo zeigen, wobei sie stets im Freien essen konnte. Und die Maske brauchte sie nur fürs Einkaufen. Sie empfand die italienische Corona-Politik vergleichbar mit jener der Schweiz, also gut. Am Strand musste Fehr Düsel manchmal warten, weil ihre Familie erst dann zum Meer gelassen wurde, als eine andere Familie den Strandabschnitt verliess. Da wurde also genau gezählt – dafür hatte man am Strand schön Platz.
Die Schweizer Corona-Politik will sie nicht verschärfen, im Gegenteil. Fehr Düsel plant eine Anfrage zu den flächendeckenden Tests an den Schulen. Auch will sie sicherstellen, dass an der Volksschule kein Gruppendruck für die Impfung entsteht – etwa durch Impfmobile vor den Sekundar- oder später gar vor Primarschulhäusern.
Ebenfalls in Italien war Markus Bischoff (AL), allerdings nur einen Tag, im grenznahen Domodossola. Keine Grenz- oder Zertifikatskontrollen, meldet der Geimpfte, der essen und einkaufen ging. «Fast schon Schweizer Lockerheit», sagt er augenzwinkernd.
Bischoff will «keine weiteren polizeilichen Massnahmen» im Kanton Zürich. Schulklassen durchtesten findet er sinnvoll – «aber ohne Zwang».
Dieter Kläy (FDP, Winterthur), geimpft, war 14 Tage mit dem öffentlichen Verkehr in der Bretagne unterwegs. Er hat festgestellt, dass die Nordwestfranzosen die Massnahmen streng und konsequent umsetzen, und er fand das «nicht schlecht». Ob in den Schlössern oder bei Veranstaltungen mit einheimischen Tänzen: Stets musste er sein Zertifikat vorweisen – und durfte sich danach frei bewegen.
Als Verwaltungsrat des Winterthurer Stadttheaters hat sich Kläy mit dem Zertifikat beschäftigt. Das Resultat: Wie in anderen grossen Kulturhäusern gilt ab sofort Zertifikatspflicht. «Ansonsten könnten wir das Theater nicht füllen und müssten Gesunden den Zugang verweigern», sagt Kläy. Für hiesige Restaurants fordert er «eher kein» strengeres Regime. In den Beizen könne man die Abstände auch besser einhalten als im Theater.
Ihr Geimpften-Zertifikat hätte Selma l’Orange Seigo (Grüne) zu Hause lassen können. Sie war aber auch «nur» bei den Steinböcken am Brienzer Rothorn. Ihr Ehemann konnte sein Zertifikat immerhin einmal zeigen, erzählt sie – beim Besuch des Freundschaftsspiels FC Liverpool gegen Hertha Berlin in Innsbruck.
Die Zertifikatspflicht hat Fraktionskollege Thomas Forrer in Kopenhagen ausgekostet: Sei es im Zoo, im Museum oder im Restaurant: «Ich war froh, mich maskenlos unter Geimpften bewegen zu können.» Speziell: In der U-Bahn kann man am Platz die Maske ausziehen. Forrer wie l’Orange Seigo sind geimpft, wollen die Zertifikatspflicht in der Schweiz aber nicht auf den Gastrobereich ausdehnen.
Thomas Marthaler (SP), auch er mit Status geimpft, blieb in der Schweiz. Er ist auf den Weissfluhgipfel gestiegen – «von ganz unten her». Das Zertifikat musste er in den Ferien nur vor dem samstäglichen Derby FCZ gegen GC vorweisen.
An der Beizen- und Schulhauspolitik würde er nichts ändern. «Wir haben autonome Schulen, diese sollen die Verantwortungen übernehmen», findet er. Und in den Restaurants soll die Zertifikatspflicht ein Können und kein Müssen sein.
Diese Meinung vertritt auch Christa Stünzi (GLP, Horgen). «Die privaten Anbieter sollen selbst entscheiden.» Persönlich zieht sie Veranstaltungen vor, die das Zertifikat verlangen, sagt die Geimpfte.
Stünzi zog es dieses Jahr vor, in der Schweiz zu bleiben und sich nicht mit den Regeln irgendwo im Ausland beschäftigen zu müssen. «In einer Berghütte und rund um den Zürichsee ist es doch so schön.»