Tagesanzeiger, 23.08.2021

Haben die Ferien unseren Politikerinnen und Politikern Erkenntnisse gebracht? Und wie solls hier weitergehen? Dazu gibt es pointierte Meinungen.

In der Schweiz fordert er die Rückkehr zur Normalität. Ab Oktober soll die Maskenpflicht in den Läden und im ÖV fallen. «Die meisten Risikopatienten sind geimpft, das Gesundheitssystem ist nicht mehr bedroht», sagt Widler. «Der Ungeimpfte darf die Freiheit des Geimpften nicht stehlen – und umgekehrt», philosophiert er. Sorgen bereiten ihm die gesellschaftlichen Verwerfungen und der «quasireligiöse Eifer» der Befürworter und Gegner der Corona-Massnahmen. Auch dafür hat er ein Bonmot: «Wenn sie wollen, dass sich einer bewegt, dürfen sie ihn nicht an die Wand nageln.»

Menschen zählen am Strand

Nina Fehr Düsel (SVP), ebenfalls geimpft, war mit dem Auto in Ligurien unterwegs. Ihr Zertifikat musste sie weder an der Grenze noch sonst wo zeigen, wobei sie stets im Freien essen konnte. Und die Maske brauchte sie nur fürs Einkaufen. Sie empfand die italienische Corona-Politik vergleichbar mit jener der Schweiz, also gut. Am Strand musste Fehr Düsel manchmal warten, weil ihre Familie erst dann zum Meer gelassen wurde, als eine andere Familie den Strandabschnitt verliess. Da wurde also genau gezählt – dafür hatte man am Strand schön Platz.
Die Schweizer Corona-Politik will sie nicht verschärfen, im Gegenteil. Fehr Düsel plant eine Anfrage zu den flächendeckenden Tests an den Schulen. Auch will sie sicherstellen, dass an der Volksschule kein Gruppendruck für die Impfung entsteht – etwa durch Impfmobile vor den Sekundar- oder später gar vor Primarschulhäusern.

Ihr Geimpften-Zertifikat hätte Selma l’Orange Seigo (Grüne) zu Hause lassen können. Sie war aber auch «nur» bei den Steinböcken am Brienzer Rothorn. Ihr Ehemann konnte sein Zertifikat immerhin einmal zeigen, erzählt sie – beim Besuch des Freundschaftsspiels FC Liverpool gegen Hertha Berlin in Innsbruck.
Die Zertifikatspflicht hat Fraktionskollege Thomas Forrer in Kopenhagen ausgekostet: Sei es im Zoo, im Museum oder im Restaurant: «Ich war froh, mich maskenlos unter Geimpften bewegen zu können.» Speziell: In der U-Bahn kann man am Platz die Maske ausziehen. Forrer wie l’Orange Seigo sind geimpft, wollen die Zertifikatspflicht in der Schweiz aber nicht auf den Gastrobereich ausdehnen.

Thomas Marthaler (SP), auch er mit Status geimpft, blieb in der Schweiz. Er ist auf den Weissfluhgipfel gestiegen – «von ganz unten her». Das Zertifikat musste er in den Ferien nur vor dem samstäglichen Derby FCZ gegen GC vorweisen.
An der Beizen- und Schulhauspolitik würde er nichts ändern. «Wir haben autonome Schulen, diese sollen die Verantwortungen übernehmen», findet er. Und in den Restaurants soll die Zertifikatspflicht ein Können und kein Müssen sein.