Modekonzerne verzichten auf exotisches Leder, Länder wie Grossbritannien gehen beim Tierschutz voran. In der Schweiz will der Ständerat beim Verbot von Quälpelz auf die Bremse stehen. Warum?
Am 30. Mai steht der Tierschutz auf der Traktandenliste des Ständerats: Eine Motion von SP-Nationalrat Matthias Aebischer will den Import von Quälpelz verbieten. Die andere, von der ehemaligen GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley, den Import von Jagdtrophäen geschützter Tiere unterbinden.
Der Nationalrat hat beide Vorstösse im Mai 2021 deutlich angenommen. Die zuständige ständerätliche Kommission empfiehlt hingegen die Ablehnung beider Importverbote. Was die Frage aufwirft, wie bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern die Meinungsbildung abgelaufen ist.
Ständerat beruft sich auf WWF
Man habe sich eingehend mit den Themen befasst, erklärt Kommissionspräsident Benedikt Würth (Die Mitte) auf Anfrage. Beim Verbot der Trophäenjagd berufe man sich in erster Linie auf die Haltung des WWF, der in einem Brief an die Ständerätinnen und Ständeräte «dringend» die Ablehnung des Importverbots empfahl.
Wie die SonntagsZeitung vor einer Woche publik machte, steht der WWF mit dieser Position allerdings ziemlich allein da: Mehr als 50 Schweizer Tierschutzorganisationen befürworten ein Importverbot. Nach dem Bericht schaltete der WWF auf seiner Website eine differenziertere Stellungnahme zum Thema auf, als er sie noch in seinem Brief an die Ständeräte vertreten hatte, und räumte ein, die Trophäenjagd werde «auch unter Tier-, Arten- und Naturschützern widersprüchlich bewertet».
In der Schweizer Bevölkerung ist das Meinungsverhältnis hingegen klar: Laut einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts GFS Zürich im Auftrag der Stiftung Tier im Recht sind 96 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für ein Importverbot für Trophäen aus der Grosswildjagd. Die ständerätliche Kommission hatte laut Würth von der Umfrage Kenntnis, zeigte sich davon aber wenig beeindruckt.
Auch beim anderen Vorstoss in Sachen Tierschutz – dem Import von Quälpelz – sieht sie keinen Handlungsbedarf, sondern stellt sich auf den Standpunkt, es müsse «der Vollzug der Pelzdeklarationsverordnung verbessert» werden, wie Würth sagt. Branche und Behörden seien gefordert. Immerhin: Wenn in zwei Jahren keine Verbesserung ersichtlich sei, «ist es denkbar, dass die Kommission dann von sich aus Verschärfungen dem Plenum beantragen wird», sagt Würth.
79 Prozent der getesteten Pelzlabels waren falsch
Das Problem besteht gemäss Nadja Brodmann, Co-Geschäftsleiterin des Zürcher Tierschutzes, aber gerade darin, dass die Bilanz schon jetzt ernüchternd sei, weil die Kontrolle nicht funktioniere: «Seit 2014 führen wir regelmässig Ladenkäufe durch. Die Verkaufsstellen sind überfordert oder desinteressiert – noch immer werden viele Quälpelze unvollständig, falsch oder gar nicht deklariert», sagt Brodmann.
Das Bundesamt für Landwirtschaft und Veterinärwesen (BLV) kam in einem Bericht vom November 2020 zum gleichen Schluss: Von den 141 Kontrollen, die das BLV 2020/21 durchgeführt hatte, wurde in 111 Fällen gegen die Kennzeichnungspflicht verstossen. Das entspricht 79 Prozent.
Hinzu kommen die schwammigen Bezeichnungen. Etiketten mit der Aufschrift «Kann aus Fallenjagd oder einer nicht erlaubten Haltungsform stammen» sind genauso legal wie der Hinweis «Herkunft unbekannt». Ein Label, das der Tierquälerei Tür und Tor offen lässt: «Bei Lebensmitteln wäre der Hinweis ‹Herkunft unbekannt› undenkbar», sagt Nadja Brodmann.
Selbst die britischen Tories finden Pelz unzeitgemäss
In anderen Ländern ist der Tierschutz bereits viel weiter. Im US-Bundesstaat Kalifornien zum Beispiel ist der Handel mit Pelz ab nächstem Jahr untersagt, in Los Angeles und San Francisco ist das schon jetzt der Fall. Und als erstes Land überhaupt hat Israel letztes Jahr ein Importverbot für Pelze erlassen.
Das britische Parlament entscheidet demnächst über die sogenannte Animals Abroad Bill, mit der die Trophäenjagd, der generelle Import von Pelz sowie Stopfleber verboten werden soll. Das Ansinnen wird von Umweltminister Lord Goldsmith energisch vorangetrieben – Goldsmith gehört genauso zu den Konservativen wie Premier Boris Johnson, der die Importverbote ebenfalls unterstützt. Die Pelzindustrie, so heisst es bei den Tories, sei «nicht mehr vereinbar mit unseren Werten und wie wir mit Tieren umgehen wollen».
Tatsächlich haben das neue Bewusstsein für Nachhaltigkeit und ethischen Konsum sowie die ökologischen Auswirkungen der Massentierhaltung dazu geführt, dass der Tierschutz längst nicht mehr nur idealistische Weltverbesserer umtreibt. Die Anliegen werden beinahe parteiunabhängig vertreten, die Meinungen verlaufen keineswegs streng entlang der Parteigrenzen – auch in der Schweiz.
Im Kanton Zürich etwa sind es mit Sandy Bossert und Nina Fehr-Düsel zwei SVP-Frauen, die in Sachen Tierschutz forsch vorangehen. Auf Bundesebene war es mit Nationalrat Martin Haab ebenfalls ein Mitglied der SVP, das kürzlich mit seiner Motion den Import von tierquälerisch hergestellter Stopfleber (Foie gras) verbieten wollte. Die grosse Kammer stimmte Ende Februar mit grosser Mehrheit zu, insbesondere in den eigenen Reihen stiess Haab auf viel Sympathie.
Tamara Funiciello war gegen ein Verbot von Stopfleber
Bei der Ratslinken hingegen stimmten sechs Welsche der SP (darunter Fraktionspräsident Roger Nordmann) dagegen, auch die Berner Nationalrätin Tamara Funiciello sprach sich gegen ein Verbot des Stopfleberimports aus.
Der Widerstand der Politik mutet umso erstaunlicher an, als der Zeitgeist derzeit nur eine Richtung kennt: hin zu mehr Ethik bei tierischen Produkten, insbesondere, wenn es ums Luxussegment geht. Mittlerweile findet gar beim Leder ein Umdenken statt: Letzte Woche gab das britische Traditionshaus Burberry – seit 2018 pelzfrei – bekannt, fortan keine Häute exotischer Tiere mehr zu verarbeiten.
Dasselbe tut Chanel bereits seit vier Jahren; noch am Tag der Ankündigung verschwanden damals sämtliche Produkte aus Krokodil, Schlange, Eidechsen und Rochen von der Website. Die Begründung dafür: Es sei unmöglich, die Herkunft der Häute nachzuverfolgen und damit zu überprüfen, wie die Tiere gehalten worden seien. Das wolle man nicht länger verantworten, so Chanel.