Blick, 09.01.2023

«Stelle mich jeder politischen Untersuchung»

Jahrelang schlampte die Zürcher Justizdirektion bei der Entsorgung von Festplatten. Sensible Daten gelangten in die falschen Hände und schliesslich ins Zürcher Milieu. Am Montag musste Justizdirektorin Jacqueline Fehr deswegen vor dem Kantonsrat antraben.

Der Datenskandal der Zürcher Justizdirektion sorgte im Dezember für viel Furore. Kein Wunder: Eine Geschichte wie diese könnte man besser kaum erfinden.

Blick deckte auf, wie die Zürcher Justizdirektion über Jahre bei der Entsorgung von Computern geschlampt hat. Festplatten mit unverschlüsselten, höchst sensiblen Daten gelangten durch zwielichtige Gestalten ins Zürcher Milieu. Wäre es nach den Behörden gegangen, hätte die Öffentlichkeit davon nie etwas erfahren.

Der Zürcher Kantonsrat will die Geschichte nun gründlich aufarbeiten. Am Montag wurde eine dringende Interpellation zum Fall diskutiert. Justizdirektorin Jacqueline Fehr (59, SP) musste persönlich vor dem Kantonsrat elf Fragen beantworten.

Kurze Antworten, nichts Neues

Ihre Antworten allerdings fielen äusserst knapp aus. Sie bestätigten lediglich, was bereits bekannt war. Mehrfach verwies Jacqueline Fehr auf die laufende Strafuntersuchung. Man müsse deren Ergebnisse erst abwarten. «Bis dahin bewegen wir uns im Feld der Spekulationen.»

Zwar hatte sie mit der Entsorgung der Geräte direkt nichts zu tun. Diese fiel in die Amtszeit ihrer beiden Vorgänger in der Justizdirektion. Bloss: Fehr sorgte dafür, dass die Aktion nicht öffentlich wurde. Als sie selber im November 2020 davon erfuhr, leitete sie zwar eine Administrativuntersuchung ein, den entsprechenden Schlussbericht legte sie aber weder ihren Regierungskollegen noch dem Parlament vor. Am Montag gab sie diesbezüglich Fehler zu, räumte ein, dass sie die Geschäftsprüfungskommission (GPK) schlecht informiert habe.: «Ich habe die GPK über den Zwischenbericht informiert, nicht aber über den Schlussbericht. Das war falsch.»

Verantwortlich dafür, dass das Datenleck bekannt wurde, ist der Zürcher Milieu-Anwalt Valentin Landmann (SVP, 72). Sein Mandant, der Milieu-Beizer Roland Gisler (58), hatte im Zuge eines Gerichtsfalls dem Gericht 20 Festplatten der Zürcher Justizdirektion übergeben. Gisler hatte diese von seinem Bruder erhalten, der für die Entsorgungen zuständig war.

Auf die Frage, wie gross das Ausmass des Datenverlustes sei, antwortete Fehr im Kantonsrat, das könne man erst abschätzen, wenn die Strafuntersuchung abgeschlossen sei. Solange lasse sich auch die vom Datenleck ausgehende Gefahr für Betroffene und die Justiz nicht abschätzen

PUK zum Datenleck nicht ausgeschlossen

Am Ende aber könnte es spektakulär werden: Denn dann geht es darum, ob eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt wird. Dass die bürgerlichen Parteien den Fall schleifen lassen, ist jetzt – mitten im Zürcher Wahlkampf – unwahrscheinlich. Es gab darum am Montag im Kantonsrat vereinzelt Voten, die zur lückenlosen Aufarbeitung des Skandals eine PUK forderten.

Das wäre schweres Geschütz. Eine solche Untersuchungskommission ist das schärfste Mittel, das das Parlament einsetzen kann und würde den ganzen Fall bis ins Detail nochmals aufarbeiten.

Eine PUK gab es im Kanton Zürich seit zehn Jahren nicht mehr. Damals ging es um die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich, die finanziell in Schieflage geraten war.

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Ob der Antrag tatsächlich gestellt wird, ist derzeit noch offen. Die formelle Voraussetzung dafür ist nach der Debatte im Kantonsrat aber erfüllt: Die Regierung musste eine dringliche Interpellation beantworten, was mit der Stellungnahme von Fehr passiert ist. Mehrere Fraktionen wollen nun aber lieber die Ergebnisse der GPK abwarten und sehen die PUK als «ultima ratio», also als den letzten Lösungsweg.

«Bin an politischer Aufarbeitung interessiert»

Eine eigene Untersuchung im Datenskandal eingeleitet hat bereits die GPK des Kantonsrats. Ausserdem ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft schon seit November 2020. Bloss: Bis am 12. Februar, also bis am Tag der kantonalen Zürcher Wahlen, werden wohl keine Untersuchungsergebnisse vorliegen. Bei der letzten PUK vor zehn Jahren verging eine lange Zeit, bis die Ergebnisse präsentiert wurden.

Fehr gab sich gelassen. Sie sagte am Ende der Diskussion: «Ich bin an einer politischen Aufarbeitung interessiert. Weil ich seit 2015 die Verantwortung trage. Ich stelle mich jeder politischen Untersuchung.»

 


09:08 Uhr

«Es geht um das Vertrauen der Bürger in den Staat»

Nina Fehr Düsel von der SVP fordert ebenfalls eine lückenlose Aufarbeitung des Datenskandals. Sie sagt: «Es ist wichtig, dass die Bevölkerung aufgeklärt wird. Es geht um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. Es gilt darum, eine PUK einzusetzen. Gerade, weil nicht alles klar ist. Wir müssen hier dranbleiben!»