Gut 180 Männer und Frauen aus der Zürichseeregion stellen sich zur Wahl in den Nationalrat. Neben aussichtsreichen Kandidaturen gibt es auch Ausgefallenes zu berichten.
«Bob-Olympiasieger», diese Berufsbezeichnung kann nur einer der Kandidierenden für den Nationalrat angeben. Die Rede ist von Erich Schärer. Der Herrliberger, der 1980 in Lake Placid im Zweier-Bob die Goldmedaille gewann, kandidiert für den Nationalrat auf der Ü-55-Liste der SVP. Chancen an den Wahlen am 22. Oktober zu reüssieren, hat der 77-Jährige angesichts der Liste keine.
Schärer ist einer von rund 180 Kandidierenden, davon etwa 43 Prozent Frauen, aus den Seebezirken, die einen Sitz im Nationalrat erringen wollen. Derzeit sind sechs Kandidierende aus den Bezirken Meilen und Horgen im Nationalrat: fünf Männer und eine Frau. Einzig der Küsnachter SVP-Nationalrat Roger Köppel tritt nicht wieder an. Insgesamt gehen 36 der 200 Parlamentssitze an den Kanton Zürich, dies ist einer mehr als bislang.
Die besten Chancen dürften sich besagte Nationalrätinnen und -räte aus der Region ausmalen, die wieder antreten. Von der FDP sind dies der ehemalige Fraktionspräsident Beat Walti aus Zollikon auf dem zweiten Listenplatz und Hans-Peter Portmann aus Rüschlikon direkt dahinter. Ihre Wahl dürfte angesichts dieser Listenplatzierung ungefährdet sein. Fünf Nationalratssitze hält die FDP Zürich derzeit.
Aussichtsreiche SVP-Kandidaten
Bei der SVP befindet sich mit dem Meilemer Thomas Matter ein Bisheriger auf dem dritten Listenplatz. Die Partei verfügt zudem insbesondere über zwei rechtsufrige Kandidierende, die neu den Sprung ins nationale Parlament schaffen könnten. Dies ist zum einen Domenik Ledergerber aus Herrliberg. Der Präsident der Kantonalpartei startet vom elften Listenplatz aus ins Rennen.
Zum anderen sind Nina Fehr Düsel (Platz 12) aus Küsnacht Chancen einzuräumen. Die Kantonsrätin hat bislang auch bei den kantonalen Wahlen mehrere Plätze gutgemacht. Aktuell verfügt die Zürcher SVP über zehn Sitze im nationalen Parlament.
Bellaiche tritt erneut an
Bei den Grünliberalen tritt die Kilchbergerin Judith Bellaiche auf dem sechsten Listenplatz wieder an. Aktuell hat die Zürcher GLP genau sechs Sitze im Nationalrat. Ansonsten vertreten zurzeit keine Politiker aus der Zürichseeregion die GLP in der grossen Kammer. Claudia Hollenstein, Kantonsrätin und Gemeinderätin in Stäfa, wurde von ihrer Partei auf den zehnten Listenplatz gesetzt. Ihre Chancen, gewählt zu werden, sind allerdings sehr gering.
Bei den Grünen kandidieren alle bisherigen Nationalräte erneut. Parlamentarier aus den Bezirken Horgen und Meilen finden sich keine darunter. Doch auf der Liste fallen insbesondere zwei prominente Namen aus der Region auf. Dies ist unter anderem Fraktionspräsident Thomas Forrer, Kantonsrat aus Erlenbach. Er tritt auf dem neunten Platz zu den Wahlen an. Gleich anschliessend auf dem zehnten Platz kandidiert Claudia Bühlmann, die als Stadträtin in Wädenswil amtet.
Aktive Jungpolitiker aus der Region
Für die Mitte kandidiert Wädenswils Stadtpräsident Philipp Kutter. Der Nationalrat, der Anfang Jahr schwer verunfallt ist, ist nicht nur Spitzenkandidat für die grosse Kammer, sondern tritt auch für den Ständerat an. Er ist bislang der einzige Zürcher Vertreter seiner Partei. Weitere bekannte Namen auf der Liste sind die Meilemer Gemeinde- und Kantonsrätin Marzena Kopp auf Platz 11, der Adliswiler Stadtpräsident Farid Zeroual auf Platz 18 sowie Benedikt Schmid auf Platz 15. Der 22-jährige Thalwiler sorgte kürzlich mit seiner Initiative «Gesunde Jugend jetzt» für Aufsehen.
Auf der Nationalratsliste der SP sucht man Vertreterinnen und Vertreter vom Zürichsee fast vergeblich. Efe Yildiz aus Meilen befindet sich auf dem 35. Platz fast am Schluss der Liste. Doch bei der SP zeigt sich ein Phänomen, das so auch bei anderen Parteien zu beobachten ist. Zahlreiche Juso-Kandidierende stammen aus der Region. Ein Phänomen, das auch bei anderen Parteien zu beobachten ist, die junge Mitte stellt sogar 15 Kandidierende aus den Bezirken Horgen und Meilen.
Einige Kandidierende aus der Region treten auch für Kleinst- und Splitterparteien an. So stellen sich hiesige Pflegefachleute für «Engagiert für eine starke Pflege – Pflegeliste» zur Wahl, aber auch die während der Corona-Pandemie entstandenen Bewegungen Mass-voll und Aufrecht verfügen über einige Kandidierende aus der Zürichseeregion. Die Alternative Liste wiederum stellt bei 36 Kandidierenden einen Horgner auf.
Verwechslungsgefahr bei Liberalen
Auf den Best-Ager-Listen der Parteien finden sich bekannte Namen, bei der Ü-55-Liste der SVP etwa Herrlibergs Alt-Gemeindepräsident Rolf Jenny, Alt-Kantonsratspräsidentin Theres Weber und Christoph Blochers Schwiegersohn Roberto Martullo. Nicht nur ehemalige, sondern auch bereits aktive Volksvertreter kandidieren, etwa die grüne Adliswiler Stadträtin Marianne Oswald auf der Grünen-Liste für nachhaltiges Wirtschaften oder für die GLP-Senioren die Küsnachter Gemeinderätin Susanna Schubiger.
Beim Kandidaten André Müller besteht allerdings Verwechslungsgefahr. Es handelt sich nicht um den gleichnamigen Zolliker FDP-Gemeinderat, sondern um einen GLP-Vertreter aus Kemptthal.
Bei den Berufen der Kandidierenden gibt es nicht nur Anwälte, Lehrpersonen und Betriebswirtschaftler. Aus der Zürichseeregion fallen insbesondere zwei Vertreter aus der Kulinarikbranche auf: So kandidiert Marroniverkäufer Jürg Soldan aus Horgen für «Die Mitte – Die Erfahrenen» und Nicole Burri, Inhaberin des Adliswiler Delikatessenladens «Frau Burri», für «Grüne für nachhaltiges Wirtschaften». Ob die Region weiterhin mit sechs Parlamentariern im Nationalrat vertreten sein wird, wird sich am 22. Oktober zeigen.