NZZ, 26.09.2023

Weil eine Standesinitiative gegen Pelzimporte durchkommt, muss sich Regierungsrätin Natalie Rickli contre cœur in Bern dafür einsetzen.

Echter Pelz? Und wenn ja, welcher Herkunft? Viele wissen nicht genau, was sie im Winter tragen, weil die Läden es nicht ausweisen.

Wer an diesem Montag im Zürcher Kantonsparlament die Augen schloss, hätte denken können, dass sich die Grünen zum Scherz in den Sitzen der SVP niedergelassen hatten. Denn von ganz rechts im Saal hörte man eine Reihe sehr untypischer Voten.

«Unvorstellbare Qualen», «bei lebendigem Leib die Haut abgezogen», «unnötige Luxusprodukte», «ethisch nicht vertretbar»: In dramatischen Bildern wurde das Elend von Nutztieren gezeichnet, wurde angeprangert, dass es in Sachen Tierschutz zu langsam gehe, wurde verlangt, dass man Bundesbern Beine machen müsse. Sehr engagiert, eine Spur aktivistisch.

Und kein Scherz der Grünen, sondern Originalton SVP. Das liegt an zwei Frauen, die sich auf Pfade begeben haben, die von ihrer Partei selten begangen werden.

Lange bevor Nina Fehr Düsel aus Küsnacht als SVP-Kantonsrätin in die Fussstapfen ihres prominenten Vaters Hans trat, fühlte sie sich den Grünen deutlich näher. Sie war damals 14-jährig und sammelte Unterschriften für ein Verbot von Delfin-Shows in der Schweiz. 30 Jahre später traf sie im Rat auf Sandra «Sandy» Bossert, Bäuerin und SVP-Kantonsrätin aus Wädenswil – eine Kollegin ähnlicher Prägung.

Bossert ist ein Leben lang von Tieren umgeben gewesen und reagiert schlecht darauf, wenn diese respektlos behandelt werden. Als Jugendliche wäre ihr zuzutrauen gewesen, dass sie «den Reichen den Pelzmantel versprüht», wie sie in einem Porträt in den Tamedia-Zeitungen einst sagte.

Das hat sie jetzt nicht mehr nötig, denn sie hat mit der Unterstützung von Fehr ein anderes Ventil für ihre Überzeugungen gefunden. Ihr ist es gelungen, im Kantonsrat eine deutliche Mehrheit für eine Standesinitiative zu gewinnen, die den Import von Pelzen aus tierquälerischer Produktion verbieten will.

Bossert monierte, die seit zehn Jahren in der Schweiz geltende Deklarationspflicht sei «völlig zahnlos» – und viele pflichteten ihr bei. Bei Kontrollen hatte sich wiederholt gezeigt, dass in etwa 80 Prozent der Läden die geforderte Herkunftsangabe fehlte.

Die Konsequenz von Bosserts Erfolg im Kantonsrat: Die Zürcher Regierung muss sich nun auf Bundesebene für das Anliegen starkmachen. Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, lange Jahre im Nationalrat tätig, hätte gerne darauf verzichtet. Nicht nur, weil es auf Bundesebene bereits Bemühungen in diese Richtung gibt. Sondern vor allem, weil Standesinitiativen in Bern als Einmischung verstanden werden. Insbesondere solche aus Zürich seien nicht der Stoff, auf den man dort warte, prophezeite sie.

Dies weiss man auch bei den anderen Parteien. Viele wiesen zudem darauf hin, dass die SVP auf Bundesebene genug Gewicht hätte, etwas zu bewegen, wenn sie denn wollte. Schliesslich laufe auch noch eine Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative zum gleichen Thema. Aber nur die FDP und die AL versagten dem Duo Bossert und Fehr deshalb die Gefolgschaft.

SP und GLP schwenken trotz Skepsis um
Die Mehrheit entschied, es trotzdem zu versuchen. Darunter auch Parteien, die davon ursprünglich nichts wissen wollten. Eine Mehrheit der SP-Fraktion etwa hatte die Initiative lange für eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen gehalten. Aber dies lasse sich jetzt nicht mehr rückgängig machen, meinte Stefan Feldmann (Uster) und schloss darum: «Möge das Anliegen in Bern Gehör finden.»

Für den Gesinnungswandel der Grünliberalen gab den Ausschlag, dass in der Zwischenzeit ein identischer Vorstoss des SP-Bundesratskandidaten Matthias Aebischer am Nein des Ständerats gescheitert ist. Man müsse deshalb noch einmal Druck machen.

Auch Sandy Bossert verwies auf diesen Negativentscheid des Ständerats. Sie verwendete ihn als Argument gegen die Kritik, dass sie sich ohne Not in die Bundespolitik einmische und sich stattdessen an ihre Parteikollegen wenden solle. In der kleinen Kammer sind Mitte und FDP in der Mehrheit – und es seien «die älteren Herren» gewesen, die gegen ein Importverbot gestimmt hätten. «Wie genau soll ich denn nun vorgehen?»

Konrad Langhart (Mitte, Andelfingen), einst ein Parteikollege Bosserts und ebenfalls Bauer, entschuldigte sich: Er habe leider auf die Fraktion in Bern keinen grossen Einfluss. Denn es sei klar, dass tierquälerische Produkte in der Schweiz nichts verloren hätten.

Jasmin Pokerschnig (Grüne, Zürich) doppelte nach, man dürfe sich nicht hinter Formalien verstecken. Denn: «Viele tragen immer noch Pelz, ohne zu wissen, wie dieser produziert wird.» Und Donato Scognamiglio (EVP, Freienstein) stellte dafür seine Liebe für den freien Markt hintenan: «Hier lohnt es sich für einmal, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.»

Zweite Initiative gegen Fleischimporte ist gescheitert
Weniger Erfolg als Bossert hatte ihre Kollegin Nina Fehr Düsel mit einer zweiten Standesinitiative. Diese wandte sich gegen den Umstand, dass Schlachtvieh heute unter oft schockierenden Umständen tagelang durch Europa gekarrt wird. Entsprechendes Fleisch müsse an der Grenze deklariert und mit Zollbeschränkungen belegt werden. Weil sich die Transportgeschichte nicht zurückverfolgen lasse, käme dies einem Importverbot gleich.

Den Ausschlag für ein Nein gab aber der Umstand, dass in dieser Sache in Bern bereits entsprechende Vorstösse hängig sind. Dafür gab es von Martin Huber (FDP, Neftenbach) einen einfachen Rat an alle Konsumentinnen und Konsumenten, dem viele zustimmten: «Kauft einfach Schweizer Fleisch!»