Sie sei konstruktiv, tolerant – ja gar «liebenswürdig», heisst es über die frischgewählte SVP-Nationalrätin. Wer ist die Frau, deren Vater ein bekannter Hardliner war – und die schon als Teenie gegen Delfinarien kämpfte?
Noch immer gehen bei Nina Fehr Düsel unablässig Anrufe und Nachrichten ein, knapp eine Woche nach ihrer Wahl in den Nationalrat. Die Gratulationen scheinen ihr fast ein wenig peinlich. Schon am Wahlsonntag, als am frühen Nachmittag klar war, dass es reichen würde, blieb sie skeptisch. «Viele sagten, der Fall sei sonnenklar», sagt sie und bestellt beim Treffen in einem Winterthurer Café eine Cola Zero – aber wenn man vom 12. Listenplatz aus starte, könne man nie wissen. Sie machte dann vier Plätze gut, überholte den kantonalen Fraktions- sowie den Parteipräsidenten.
Man sucht in ihrem Gesicht nach Ähnlichkeiten und lauscht auf Formulierungen, die an ihren bekannten Vater Hans Fehr erinnern, der ebenfalls für die SVP im Nationalrat sass – 20 Jahre lang, er galt als Hardliner. Sie weiss, dass sie anfangs, nach der Wahl in den Zürcher Kantonsrat 2015, als «Tochter von» wahrgenommen wurde.
Der ehemalige Hardliner ist heute engagierter Grossvater
Selbstverständlich stehe ihr Vater mal beratend zur Seite, sagt sie, «am meisten aber unterstützt er mich, indem er sich seit Beginn sehr aktiv um seine Enkel kümmert». Der einstige Scharfmacher als engagierter Grossvater, damit die emanzipierte Tochter Karriere machen kann? Sie lacht. «Ich weiss, das wird sich für viele wie ein Widerspruch anhören. Aber die SVP wird ja gerne schlechtgeredet und negativ dargestellt.»
Für Fehr Düsel kam nie infrage, «nur» Mutter zu sein, das teilte sie ihrem Mann schon kurz nach dem Kennenlernen mit.
Tatsächlich hat die 43-Jährige das Zeug, zu einer prominenten und wichtigen Stimme der Volkspartei zu werden. Dabei entspricht sie so gar nicht dem Klischee einer SVP-Frau. Für Fehr Düsel kam zum Beispiel nie infrage, «nur» Mutter zu sein, das teilte sie ihrem Mann schon kurz nach dem Kennenlernen mit. Sie hatte Jus studiert, eine Diss in Versicherungsrecht geschrieben und wollte immer unabhängig sein, vor allem auch finanziell.
Bei der Kinderbetreuung ganz auf Parteilinie
Sie wundert sich, wie selten Frauen sich darum kümmern, welche Risiken einer Scheidung innewohnen, und wünscht sich da mehr weibliche Selbstverantwortung: «Wenn man sich im Vorfeld nicht informiert, welche Folgen es hat, wenn man kein eigenes Geld verdient, darf man im Nachhinein nicht jammern.»
Ohnehin habe sie nichts gegen moderne Formen des Zusammenlebens, sondern sei bloss dagegen, dass der Staat für alles aufkommen soll. Kinderbetreuung sei in erster Linie Familiensache, findet sie, da ist Fehr Düsel ganz auf Parteilinie.
Ihr Mann hat es sich so eingerichtet, dass er ihr den Rücken freihalten kann.
Ihre beiden Buben sind sieben und acht Jahre alt; nebst dem politischen Amt, das in etwa einem 20-Prozent-Pensum entspreche, ist sie 60 Prozent als Juristin tätig. Oft wird sie angefragt für Veranstaltungen, an denen es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Sie spricht dann darüber, dass ihr Mann mehr zu Hause nach dem Rechten sehe als sie. Er ist Unternehmensberater und hat es sich so eingerichtet, dass er ihr den Rücken freihalten kann. «Das war Teil unserer Abmachung», sagt sie.
Frauen, nehmt eure Männer in die Pflicht!
Obschon sich Fehr Düsel nicht als Feministin bezeichnet – weil sie sich «kaum je im Leben benachteiligt gefühlt» habe –, ist ihre Botschaft also eigentlich urfeministisch: Frauen sollten mit ihren Partnern unbedingt besprechen, wie sie sich die Rollenverteilung dereinst vorstellten mit einer Familie, sonst liefen sie Gefahr, dass alles an ihnen hängen bleibe. «Frauen müssen ihre Männer in die Pflicht nehmen», sagt sie. Ihre Söhne würden lernen, dass es «selbstverständlich ist, dass ich nicht immer Zeit habe und sich der Papa genauso um sie kümmert».
Sie hatte das, was Psychologinnen heute als entscheidend für das Rollenverständnis von Mädchen einstufen: ein weibliches Vorbild.
Auch sie als Tochter hatte das, was Psychologinnen heute als entscheidend für das Rollenverständnis von Mädchen einstufen: ein weibliches Vorbild. Ihre Mutter Ursula Fehr war ebenfalls politisch, sie amtete acht Jahre lang als Gemeindepräsidentin von Eglisau; lange parteilos, später dann als SVP-Mitglied. «Meine Mutter hatte stets eine eigene Meinung», sagt Fehr Düsel, und sei keineswegs immer einig gewesen mit ihrem Mann. Bisweilen sei hitzig diskutiert worden.
Grosszügig und konstruktiv
Vielleicht hält sie deshalb heute andere Ansichten so gut aus. Das zumindest sagt der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr (mit dem keinerlei Verwandtschaft besteht). Als kantonaler Sicherheitsdirektor hat er oft mit Fehr Düsel zu tun, die als Kantonsrätin in dessen Aufsichtskommission sitzt. Fehr sagt: «Nina ist konstruktiv und bietet Hand für Lösungen. Und sie toleriert andere Ansichten.» Das zeichne sie aus. Selbst wenn sie politisch nicht immer gleicher Meinung gewesen seien – aus persönlicher Sicht bedaure er ihren Weggang aus dem Kantonsrat sehr.
«Nina Fehr Düsel ist ein Gewinn für die SVP-Fraktion in Bern.»
So tönt es von allen Seiten. GLP-Kantonsrätin Andrea Gisler, die mit Fehr Düsel in der Kommission sass, war auch «selten derselben Meinung», nennt die politische Gegnerin aber «einen Gewinn für die SVP-Fraktion in Bern», denn sie sei «offen, freundlich und umgänglich». Und FDP-Kantonsrat und Kommissionskollege Dieter Kläy beschreibt sie als «dossierfest, authentisch, liebenswürdig». Letzteres sei übrigens auch der Vater – abseits der Kameras.
Die beste Freundin ist Mitglied der SP
Obwohl das andere Lager die Meinungsunterschiede mit der SVP-Frau betont – sie weicht immer mal wieder von der Parteilinie ab. Fehr Düsel befürwortete zum Beispiel den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Und sie ist auch für die Einführung der Individualbesteuerung, einem Anliegen der FDP-Frauen, denen sie beim Sammeln der Unterschriften half.
«Ich lebe nicht in einer Bubble, wie das häufig der Fall ist in der Politik», sagt sie dazu, eine ihrer besten Freundinnen sei Mitglied der SP. Und: Ihr politisches Interesse entstand über den Tierschutz. Als Teenager lancierte sie zusammen mit einer Handvoll Gspändli und der Umweltschutzorganisation Oceancare eine Petition zur Abschaffung der Delfinarien in der Schweiz – die dann 100’000 Personen unterschrieben. Es war ihr erster Coup, sie war 14 Jahre alt.
Dreissig Jahre später sollte ihr ein ähnlicher Erfolg gelingen: Nachdem der Ständerat im Frühling 2022 das Importverbot für Quälpelz zu Fall gebracht hatte, weibelte Fehr Düsel zusammen mit Parteikollegin Sandy Bossert im Kantonsrat so lange, bis sie eine Standesinitiative mit demselben Ziel zustande brachten.
Die Linke unterstützte das Anliegen am Ende ebenfalls, obschon sie zunächst etwas pikiert reagiert und Fehr Düsel kein Herz für Tiere, sondern politisches Kalkül unterstellt hatte. Dabei sagte sie doch 1994 als junge Tierschützerin in einem Interview mit dem «Beobachter», ihr Vater sei zwar bei der SVP, «ich aber würde wenn schon den Grünen beitreten».
Zum Schluss klingt sie dann doch noch ganz klassisch nach SVP.
Warum ist sie trotzdem bei der SVP gelandet? Fehr Düsel nennt als Grund eine Art Crashkurs in Sachen Realität. Als sie nach dem Studium bei der Staatsanwaltschaft arbeitete, habe sie viele Dinge gesehen, die «schwer zu verdauen waren». Brutale Gewalttaten. Opfer von Tötungsdelikten. «Und Täter, die davonkamen, indem sie logen, das Recht missbrauchten oder zu ihren Gunsten ausnützten», sagt Fehr Düsel. Das empörte die junge Juristin: «Die Schweiz ist manchmal zu gutmütig, vielleicht gar ein wenig naiv. Es besteht die Gefahr, dass unser System ausgenützt wird.»
Wir müssten Sorge tragen «zu unserer Schweiz», zu unserer Sicherheit und unseren Errungenschaften, sagt sie – und klingt zum Schluss doch noch ganz klassisch nach SVP.